Donnerstag, 30. Dezember 2010

Tschaikowsky - Genie und Wahnsinn


1970 von Ken Russell gedrehter Film (Originaltitel "Music Lovers), nach einem Drehbuch von Melvyn Bragg und in den Hauptrollen Richard Chamberlain (Dornenvögel!) als Tschaikowsky und keine Geringere als Glenda Jackson in der Rolle der Antonina Miliukova. 
Wenn ihr mal Lust auf einen absurd schlechten Film habt, in dem sich anständige, und im Fall von Glenda Jackson sogar großartige, Schauspieler völlig verausgaben, mit dem Ergebnis, dass sie sich somit ganz und gar zum Löffel machen, dann ist dieses Werk die richtige Wahl. 
Glückliches Hüpfen über eine grüne Wiese, geiles Herumrollen in einem Eisenbahnwagon und die grauenhaft komischsten Emotinaldarstellungen unbefriedigter Sexualität, die ich jemals die Freude hatte, sehen zu dürfen, natürlich unterlegt mit dicker Tschaikowsky Musik. Und das Ganze ist auch noch wirklich gut gemeint, da es uns einen TIEFEN Einblick in die gequälte Seele des Komponisten und seiner nymphomanischen Freundin Nina geben möchte. 
Ich habe lange Zeit in der Erwartung geguckt, dass die Darsteller irgendwann in die Kamera schauen und mich angrinsen: "War nicht so gemeint, ist bloß ein Spaß!" Passierte aber nicht. Schade und dann auch wieder nicht, denn wenn man die anfängliche ungläubige Starre überwunden hat, kann man wirklich viel Vergnügen haben. 

Das ist ein Bild aus der Verfilmung der "Zofen" von Genet. Interessanter Versuch, sicher nicht mehr ganz taufrisch, aber in seiner Zeit mutig. Rechts ist Glenda Jackson! Links Susannah York.

Mittwoch, 29. Dezember 2010

Das kurze wundersame Leben des Oscar Wao von Junot Diaz


Rückfahrt von Ingolstadt mit der Deutschen Bahn, nur 30 Minuten Verspätung und es war egal, weil ich so mein heutiges Buch noch zu Ende lesen konnte. Soviel Romane habe ich lang nicht mehr gelesen!
"The wondrous life of Oscar Wao" - wondrous kann man mit seltsam oder wundersam übersetzen und warum der deutsche Verlag mit dem "kurzen Leben" unnötige, ja sogar störende Vorinformationen geben muss, weiss ich nicht. 
Aufstehen und losgehen, in der Bibliothek ausleihen, kaufen, stehlen, egal. Muss gelesen werden! Ich hoffe, die deutsche Übersetzung kann der wundersamen, seltsamen, herrlichen, meschuggenen Sprache von Junot Diaz halbwegs gerecht werden, ich hoffe sehr. Eingestreut eine Menge Spanisch, unübersetzt und mal verständlich, mal nur Klang. 
Und eine Geschichte, 10 000 Geschichten über die Bewohner eines Landes, der Domikanischen Republik, viele davon in der Diaspora über die Welt verstreut, diese hier die in New Jersey gestrandet. Das Schicksal einer Familie und aller die mit ihr in Berührung kommen, getrieben, vertrieben durch die politischen Schrecklichkeiten ihrer Heimat, die sie erleiden und mitmachen, getragen von den Mythen einer Völkergemischs aus fünf Kontinenten, einsortiert nach Farben, Schattierungen und sozialer Herkunft, reich durch alltäglichen Zauber, gepeinigt von unsäglicher Gewalt, beglückt und geplagt von jeder Menge Sex und immer, wirklich immer voll Liebe. Das Buch hat mich atemlos entlassen. Es erzählt die grausamsten Dinge ohne jede Weinerlichkeit, es beschreibt seine Figuren so, dass man sie unbedingt kennenlernen will und es glaubt, im Angesicht von allem zu dem der Mensch fähig ist, an die Liebe. Wunderbar, herrlich, herzzerreissend, lustig, absurd, tragisch und wahr.


Montag, 27. Dezember 2010

Die Bahn und die Literatur

Ich glaube mich zu erinnern, dass ich kürzlich einen lobenden Text über die Deutsche Bahn verfasst habe. Jetzt folgt noch einer. 
Wie es begann: Ich wollte nach Ingolstadt. Mit der Bahn. Es ist Winter. 
4 Stunden Hauptbahnhof Berlin und eine Reihe von interessanten An-und Aussagen später - "Da der Zug heute immerhin 70 Minuten Verspätung hat, fährt er nur bis Leipzig." oder "Wir warten nur noch auf unser Zugpersonal und können keine Angaben zur Abfahrtszeit machen." oder "Nein, der Zug über Göttingen kommt erst in einer Stunde, und der über Nürnberg fährt von Gleis 2 - Ups, jetzt ist er weg!" sitze ich immer noch in Berlin, ABER ich habe zwei Romane gelesen, den zweiten dann im Bett, weil ich so durchgefroren war. 
Der eine: "The Filmclub" von David Gilmour (in deutsch"Unser allerbestes Jahr", was haben deutsche Verlage und Verleihe doch für ein feines Talent bei Titelerfindungen!), ein kleines Buch über den Versuch eines Vaters seinem Sohn den Weg durch die Pubertät zu erleichtern. Der sechzehnjährige Sohn versagt in der Schule, fängt an zu lügen und zu saufen - der Vater schlägt ihm einen Handel vor, der Sohn darf die Schule schmeißen, wenn er mit dem Vater dreimal in der Woche einen Film anschaut. Der Sohn willigt ein und sie gucken Filme. Wild durch die Filmgeschichte mit kleinem Einleitungsvortrag des Vaters, und danach muß der Sohn einen Satz zu dem Film formulieren, wirklich nur einen Satz. Der Autor ist Kanadier, was seinen Hang zur höflichen Formulierung erklärt, aber er hat auch eine Gelassenheit im Denken, die mir zwar fremd, aber auch sehr angenehm ist.
Das zweite Buch: "One Day" ("Zwei an einem Tag" Siehe oben) von David Nicholls, one day kann übrigens sowohl 'ein Tag', als auch 'eines Tages' heißen, ein wunderbare Geschichte für Leute über 40. Klingt schauderhaft, ist es aber keineswegs. Zwei Menschen schlafen 1988 fast miteinander und werden Freunde und für jedes Jahr werden die Ereignisse des Jahrestages dieses ersten Treffens erzählt, die Ereignisse des 15.Juli. Es gibt eine Szene, wo der Mann sein Kind für einen Abend hütet und zunehmend betrunken versucht, das weinende Baby zu beruhigen. Das ist so trocken (haha) und detailliert beschrieben, dass ich das Ende des Kapitels vor-lesen musste, weil ich panisch wurde, es könnte etwas Schreckliches passieren. 
Also zum Fazit, die deutsche Bahn hat es mir ermöglicht, zwar meinen Termin in Ingolstadt zu verpassen, aber dafür zwei Romane zu lesen. Es lebe die deutsche Bahn! Und wenn ich morgen früh um 5.45 Uhr wieder nicht wegkomme, erschlage ich einen Bahnangestellten und kann dann im Gefängnis ganz viel lesen!

Sonntag, 26. Dezember 2010

Bertolt Brecht Zwei Weihnachtsgedichte

 

Die gute Nacht
 
Der Tag, vor dem der große Christ 
zur Welt geboren worden ist, 
war hart und wüst und ohne Vernunft. 
Seine Eltern, ohne Unterkunft, 
fürchteten sich vor seiner Geburt, 
die gegen Abend erwaret wurd, 
denn seine Geburt fiel in die kalte Zeit. 
Aber sie verlief zur Zufriedenheit. 
Der Stall, den sie doch noch gefunden hatten, 
war warm und mit Moos zwischen seinen Latten, 
und mit Kreide war auf die Tür gemalt. 
daß der Stalll bewohnt war und bezahlt. 
So wurde es doch noch eine gute Nacht, 
auch das Heu war wärmer, als sie gedacht. 
Ochs und Esel waren dabei, 
damit alles in der Ordnung sei. 
Eine Krippe gab einen kleinen Tisch, 
und der Hausknecht brachte heimlich einen Fisch. 
(denn es mußte bei der Geburt des großen Christ 
alles heimlich gehen und mit List.) 
Doch der Fisch war ausgezeichnet und reichte durchaus 
und Maria lachte ihren Mann wegen seiner Besorgnis aus 
denn am Abend legte sich sogar der Wind, 
und war nicht mehr so kalt, wie die Winde sonst sind. 
Aber bei Nacht war es fast wie ein Föhn, 
Und der Stall war warm und das Kind war sehr schön. 
Und es fehlte schon fast gar nichts mehr, 
da kamen auch schon die Dreikönig daher! 
Maria und Joseph waren zufrieden sehr. 
Sie legten sich sehr zufrieden zum Ruhn 
Mehr konnte die Welt für den Christ nicht tun.

Maria

Die Nacht ihrer ersten Geburt war

Kalt gewesen. In späteren Jahren aber
Vergaß sie gänzlich
Den Frost in den Kummerbalken und rauchenden Ofen
Und das Würgen der Nachgeburt gegen Morgen zu.
Aber vor allem vergaß sie die bittere Scham
Nicht allein zu sein
Die dem Armen eigen ist.
Hauptsächlich deshalb
Ward es in späteren Jahren zum Fest, bei dem
Alles dabei war.
Das rohe Geschwätz der Hirten verstummte.
Später wurden aus ihnen Könige in der Geschichte.
Der Wind, der sehr kalt war
Wurde zum Engelsgesang.
Ja, von dem Loch im Dach, das den Frost einließ, blieb nur
Der Stern, der hineinsah.
Alles dies
Kam vom Gesicht ihres Sohnes, der leicht war
Gesang liebte
Arme zu sich lud
Und die Gewohnheit hatte, unter Königen zu leben
Und einen Stern über sich zu sehen zur Nachtzeit.


Bertolt Brecht


 

Samstag, 25. Dezember 2010

Das Theater riecht.


Theater riechen. Sie riechen wie nur Theater riechen. Ich meine den Teil hinter der Bühne, die Bühne selbst, die Spielergarderoben, die Räume der Maske, Requisite, Fundus usw., der Geruch variiert, die Balance der Zusammensetzung variiert, mehr Fettschminke oder Schmieröl, noch eine Prise Anti-Mottenmittel oder ein kräftiger Schuß staubiger Samt, aber der Grundgeruch bleibt konstant. Merkwürdigerweise riechen Zuschauerräume anders, als wäre da eine unsichtbare Duftbarriere, die den Zauberduft nicht durchläßt, das Publikum von ihm ausschließt. Ich habe mal ein Jahr an der Uni gearbeitet, nach circa einem halben Jahr gab mir ein Mann eine Führung durch ein wunderschönes Theatergebäude aus dem 19. Jahrhundert, ein Zuschauerraum mit riesigem herunterfahrbaren Kronenleuchter, jeder Menge Stukkatur und weichgepolsterten Klappsitzen bezogen mit rotem Samt. Sehr schön. Dann hinter die Bühne, Putz bröckelt, lange nicht frisch gestrichen, eng und leicht schmuddelig - und da war er wieder der Duft, das "Parfum" von Schweiß, Staub, Schminke, Aufregung, Hektik, Liebe und ???, und ich merkte, wie sehr ich ihn vermißt hatte. Prima noch eine Abhängigkeit mehr! Sogar Freilichtbühnen haben diesen Geruch, nur verdünnt durch frische Luft, ganz was theaterfremdem. 
Ich habe vor Jahren mit einem zauberhaften, sehr alten Regisseur gearbeitet, der gelegentlich während der Proben einschlief, nur um bei Probenschluß hellwach genaue und strenge Kritik zu geben - ein Kollege meinte, man müßte ihm 10 Zwerge schenken, so dass er zu Hause als Pensionär weiterinszenieren könne - ich hätte dann gern ein Flakon Theaterduft, am allerliebsten den von der Hinterbühne des Deutschen Theaters in Berlin.

Freitag, 24. Dezember 2010

In The Bleak Midwinter - Mitten im bleichen Winter


Christina Rossetti 1830 in London geboren, 1894 ebendort gestorben. 
Ihr Bruder, Dante Gabriel Rossetti, war der führende Kopf der präraphaelitischen Bruderschaft, einer Gemeinschaft von Künstlern, der auch William Holman Hunt und John Everett Millais angehörten.

Tiefgläubig, blieb sie, trotz zweier intensiver platonischer Liebesbeziehungen, unverheiratet, den einen Geliebten verließ sie, als er zum Katholizismus übertrat, die Verlobung mit dem zweiten löste sie aus 'religiösen Gründen'. Sie kränkelte nahezu ihr ganzes Leben lang und starb dann, nach langer schrecklicher Leidenszeit, an Krebs. Ihr Bruder nutzte sie als Modell, unter anderem für die Jungfrau Maria.



Mitten im bleichen Winter


In the bleak midwinter, frosty wind made moan,
Earth stood hard as iron, water like a stone;
Snow had fallen, snow on snow, snow on snow,
In the bleak midwinter, long ago.

Mitten im bleichen Winter, kalter Wind wie Schrei'n, 
Erde hart wie Eisen, Wasser wie ein Stein.
Schnee auf Schnee und Schnee auf Schnee, es hat sehr geschneit,
Mitten im bleichen Winter, vor sehr langer Zeit.


Our God, Heaven cannot hold Him, nor earth sustain;
Heaven and earth shall flee away when He comes to reign.
In the bleak midwinter a stable place sufficed
The Lord God Almighty, Jesus Christ.

Unser Gott, die Erd' kann ihn nicht halten, der Himmel nicht nähren Ihn, 
Der Himmel und die Erde werden, wenn Er dann herrscht, entfliehn.
Doch mitten im bleichen Winter ein Stall ausreichend ist, 
Für unseren allmächtigen Herren, Jesus Christ.

Enough for Him, whom cherubim, worship night and day,
Breastful of milk, and a mangerful of hay;
Enough for Him, whom angels fall before,
The ox and ass and camel which adore.

Genug für ihn, dem Cherubim huldigen, bei Tag und Nacht, 
Eine Brust voll Milch und ein Lager von Heu gemacht.
Genug Für Ihn, vor dem selbst Engel niederknien,
Ochs' und Esel und Kamel, denn die lieben ihn.

Angels and archangels may have gathered there,
Cherubim and seraphim thronged the air;
But His mother only, in her maiden bliss,
Worshipped the beloved with a kiss.

Engel und Erzengel sind vielleicht dorthin gezogen, 
Cherubim und Seraphim haben ihn dicht an dicht umflogen;
Doch nur seine Mutter, jungfräulich und rein, 
Huldigte dem Geliebten mit einem Kuss allein. 

What can I give Him, poor as I am?
If I were a shepherd, I would bring a lamb;
If I were a Wise Man, I would do my part;
Yet what I can I give Him: give my heart.

Was kann ich Ihm geben, ich armer Mann?
Wäre ich ein Hirte, brächt' ich Ihm ein Lamm.
Wäre ich ein weiser Mann, würde ich ihn begrüßen.
Doch was kann ich geben: mein Herz zu seinen Füßen.  


Christina Rossetti

Die Übersetzung ist ein erster Versuch, keineswegs ausreichend. Es gibt auch eine wunderbare Vertonung von Gustav Holst!

http://www.youtube.com/watch?v=xRobryliBLQ 

Donnerstag, 23. Dezember 2010

Eine Liste


Nahezu jeder von uns hat schon einmal die Idee von der einsamen Insel durchgespielt: Wenn ich auf einer einsamen Insel gestrandet wäre, welche Bücher, Filme, Platten (aka CD's) würde ich mitnehmen? Nun ist es unwahrscheinlich, dass, kurz bevor das Schiff untergeht, das Flugzeug abstürzt oder die Piraten einen aussetzen, die Möglichkeit besteht, noch schnell eine solche Wunschliste abzugeben, außerdem stellt sich natürlich die Frage, ob die besagte Insel auch DVD Spieler oder Hifi - Anlagen bereitstellt und Strom, aber nichtsdestotrotz habe ich dieses Gedankenspiel allein und mit anderen schon gelegentlich gespielt. 
(Eine andere Variante basiert auf der letzten Szene der Verfilmung von  "Die Zeitmaschine" von H.G. Wells , der 1960er Verfilmung; der beste Freund und die Haushälterin des Zeitreisenden betreten sein Labor, nur um festzustellen, dass er zurück in die Zukunft 'gefahren' ist und es fehlen Bücher! Welche? Da beginnt das Gedankenexperiment. Nur hier stellt sich die Frage, welch Bücher würde man mitnehmen, um eine neue Zivilisation aufzubauen? Da wird es wirklich kompliziert, deshalb heute hier die harmlosere Variante: welche Bücher, Lieder, Filme würde man so sehr vermissen, dass es schmerzt, welche könnte man immer wieder lesen, hören, anschauen?

Deshalb hier, im Gefühl des nahenden Jahresendes, meine Lieblingslisten für den Fall der Fälle. Sollte ich mal verschwinden, wißt ihr, was ich mitgenommen habe! (Diese Listen gelten so lange, bis ich meine Meinung ändere, was gelegentlich geschieht.) Also, bis auf weiteres:

Bücher:
Die Bibel in der Luther oder King James Übersetzung: tausende Geschichten, unterschiedlichste Genres und wunderbare Sprache, auch wenn ich selbst auf einer einsamen Insel wahrscheinlich nicht zum Christen werde.
Das Oxford Compendium der Englischen Poesie und etwas equivalentes für deutsche Gedichte
Der Herr der Ringe 1 - 3 und das Simarillion, mit Anhang und Karten!
Krieg und Frieden (habe ich immer noch nicht gelesen und auf der Insel hätte ich doch viel Zeit, ich bräuchte allerdings auch Papier und Stift, um mir die ganzen russischen Namen, aufzuschreiben.)
Shakespeare's gesammelte Werke
Kleist's auch
Andersen's Märchen
Isaac Asimov Die Foundation Romane

Filme:
Bladerunner den Director's Cut / Ridley Scott
Ed Wood / Tim Burton
Pretty Woman (Ja, lacht ruhig!)
Buster Keaton, alles, außer "Something Happened On My Way To The Forum"
His Girl Friday (schrecklicher deutscher Titel: Sein Mädchen für besondere Fälle) / Howard Hawks
Der Aufstieg von Larissa Schepitko, nicht das andere deutsche Machwerk
The Producers von Mel Brooks, das Original bitte sehr

Musik:
Jelly Roll Morton "The Complete Library of Congress Recordings"
Blind Willie McTell "Statesboro Blues"
Bo Didley "Jungle Music"
Dave Van Ronk "Dave Van Ronk Sings"
The Beatles alles
Nina Simone alles
Dylan alles vor 1980
The Very Best Of Marvin Gaye
Its a Wonderful World Louis Armstrong
Das Requiem von Mozart
Und eine gute Siebziger Jahre Compilation

Das sind die Listen für heute. 

Sonntag, 19. Dezember 2010

Familie Flöz

Eine liebenswürdige Masken-Pantomime über das harte Schicksal der Männer. Fein, dass 4 Männer sich auch mal gestatten öffentlich selbstmitleidig zu sein. Ein Männer-Wein-Abend. Ein Spass!

Früchte Des Zorns

Dies ist keine Kritik, sondern der Versuch meine Eindrücke zu ordnen.

Gestern abend Premiere im Maxim Gorki Theater, für mich augenblicklich das spannendste, weil akuteste (Ist das ein Wort?) Theater Berlins: Armin Petras hat Steinbeck's Roman von 1939 für die Bühne adaptiert und ein Ensemble von neun Spielern, d.h. die um den Nicht-mehr-Prediger Casy und den Schwiegersohn Connie erweiterte Familie Joad, spielt auch alle die, die ihnen unterwegs, auf dem Treck in das gelobte Kalifornien, begegnen. Ein im besten Sinne karger Abend, der sich kurz vor Schluss plötzlich verüppigt und dann wieder zusammenzieht. Blues, der eher deutsch und gerade deshalb nicht lächerlich klingt, braust gelegentlich auf, Personen versuchen sich über Musik zu formulieren, aber immer werden sie unterbrochen, zurück gezerrt ins gesprochene Wort. Tolle Dialoge, kein Wort zu viel und man kann doch immer den komplizierten Handlungssträngen folgen. Ganz private Gespräche kippen unmerklich in utopische Visionen oder sozialkritische Analysen, ohne je den engen Raum des Schicksals dieser speziellen Familie zu zerstören. 
Irre Bilder: 
Die schwangere Rosasharn träumt den Erwerb eines Külschranks, gerät mit ihrem Ehemann in einen Holywoodfilmtanz (auf der Hinterwand Andeutungen aus schwarz-weiss Filmen der 30er Jahre), dazu, ganz passend Lichteffekt und der beliebte Theater-Nebel, der sich nach Kurzem aber als Sandsturm herausstellt, gegen den die anderen Familienmitglieder ankämpfen.
Eine Apfelernte mit Michael Klammer als Apfelbaum in zartestem Ausdruckstanz an den Händen Stoffäste, die an Eduard mit den Scherenhänden erinnern. Hinreißend.
Uschi Werner! Überhaupt, in jeder Sekunde wunderbar. Man ist die toll! Als Großmutter, die die 40 Dollar für das Begräbnis des toten Mannes sparen muß, als Frau, die fast einmal Sängerin geworden wäre, aber sie wollte nicht, das "etwas" zwischen sie und die Zuschauer gerät, als Bulle und als Leiter eines Versuchs einer proto-kommunistischen Kooperative, die mit einer Marxbüste verzweifelt Ordnung ins drohende Chaos stempelt, immer genau, immer witzig und sie erwischt mich dann doch in der Magengrube. WOW!
Hier liegt auch mein einziges echtes Problem mit dem Abend, in dieser Familie von drei Generationen fehlt die mittlere Generation. Das liegt nicht an den Spielern, aber wenn Gleichaltrige sich ständig als Mutter, bzw. Sohn ansprechen müssen, um die Familienverhältnisse klar zu halten, gibt es eine Störung. Und da ich ja Mitglied der vernachlässigten Gruppe der 40-60 jährigen Schauspielerinnen bin, frage ich mich, warum? Sind wir zu anstrengend, nicht mehr hübsch genug? Zu nah am Alter der Regisseure? Keine Ahnung, aber warum?
Ein Abend über Migration, Verlust von Heimat, drohende Verelendung und Verrohung, der an keiner Stelle wehleidig oder dümmlich wird. 
Ganz am Schluss, findet die Familie, nun völlig mittellos, einen fast verhungerten Mann in einer Scheune, in der sie übernachten wollen, Rosasharn, die gerade ein Kind verloren hat, schickt die anderen hinaus - einen Moment denkt man: tötet sie ihn jetzt, um ihn zu essen? - nein, sie läßt ihn an ihrer Brust trinken.

Amerika, Amerika!

Überschrift: U.S. Senate repeals 'don’t ask, don’t tell' policy.

Zitat Barry Goldwater: You don't have to be straight to shoot straight.

Wenn man sich gerade über einen politischen Erfolg des Rechts freuen möchte,  kommt so ein Zitat daher und man denkt:" Ups! Wie gut ist gleich.

Samstag, 18. Dezember 2010

When the wind blows


Ein gezeichneter Film zum Atomkrieg, 1986 gedreht von Jimmy T. Murakami, die Musik hat Roger Waters geschrieben, den Titelsong singt David Bowie. Die Geschichte basiert auf dem Comic Strahlende Zeiten von Raymond Briggs und thematisiert die Folgen einer Atomexplosion auf die Bevölkerung.

Ein älteres englisches Ehepaar liest in der Zeitung, sieht im Fernsehen, dass es zu einem präventiven Atomschlag kommen wird und baut sich einen Schutzraum. Sie leben auf dem Land, sind kleinbürgerlich und wirklich nett. Ihre Vorstellungen vom Krieg speisen sich aus ihren Kindererlebnissen im Zweiten Weltkrieg und sind eigentlich recht romantisch und wärmend. Die Leute damals halfen sich gegenseitig, es gab ein Gefühl von Gemeinschaft, sie haben überlebt. 
Der Bau des sicheren Kellers wird mit allem Ernst des Heimwerkers betrieben, die Fenster weiss streichen, Türen sichern, Essbares für 14 (vierzehn!) Tage lagern, etc.
(Können die DDR-geprägten unter euch, sich noch an den Wehrkundeunterricht erinnern. Was zu tun sei im Falle eines Atomschlags? Der FDJ-Leiter lag mit durch Regen feucht gewordene Platzpatronen im Gebüsch und deutete durch pfft! pfft! die Atombombenexplosion an, wir mussten uns in die Richtung der Bombe auf den Boden werfen, manche der Mädchen in Rock und Hackenschuhen, weil wir dann in den Schirm des Atompilzes hineinfallen würden und der Strahlung nicht ausgesetzt wären. "Der Atomschlag kann dich zu Hause, in der Schule oder in der Freizeit treffen." So ungefähr lautete der erste Satz im Wehrkundebuch. Es folgten sehr präzise Anweisungen für das Verhalten im Ernstfall: Die Kleidung durch Eintauchen in Wasser mit Obermangansaurem Kali strahlenabweisend machen, sich eine Schutzmaske mit Hilfe der Personalausweishülle bauen, einen Eimer mit Deckel (Da gab es eine Zeichnung!) beschaffen, als Notklo für den Keller und ähnlicher Irrsinn. Billy Joel beschreibt ähnliche Dinge in den USA in "Leningrad". In den 70ern stand an einer Hauswand in Ostberlin mannshoch in weisser Schrift: "Wir fordern eine Welt ohne Atome!" Solche Dinge auf der Bühne, ganz lustig, aber ein bischen fett, oder?)
Zurück zum Film, der FEIND schägt zu, die beiden gehen in ihren Keller und wundern sich, als sie beginnen sich 'unpäßlich' zu fühlen. Sie sterben an Strahlenkrankheit, ganz langsam, ohne wirklich zu verstehen warum. Ich habe selten so herznah das Ausgeliefertsein von einfachen Menschen (Ich weiss, dass dies eine mißtrauenerweckender Begriff ist, aber hier trifft er zu.) den politischen Ereignissen gegenüber realisiert. Ein Zeichentrickfilm über die Apokalypse, ohne Reiter und Heuschrecken und er reisst einem am Herzen.




Die Originalversion gibt es in 8 Kapiteln auf youtube, die deutsche als DVD unter dem Titel "Wenn der Wind weht".

Freitag, 17. Dezember 2010

Blake Edwards ist tot.

1958 war ein gutes Jahr für mich. Ich wurde geboren und Blake Edwards drehte "Frühstück bei Tiffany" nach dem Roman von Truman Capote.  Callgirl mit Katze trifft Callboy - Happy End.
Klingt nach Kitsch und ist es auch, ABER. Und das ABER ändert alles. 
Der Film wurde 1961 gedreht und der Motion Picture Produktion Code, auch Hayes Code genannt, war noch in Kraft, also kann man die Profession der beiden Helden nur aus Dialog - Halbsätzen  herausahnen. Aber eben diese Dialoge sind ganz wunderbar, präzise und immer nur in der Andeutung der wirklichen Emotionalität, das was wir heute als cool bezeichnen. 

Holly: You know those days when you get the mean reds? 
Paul: The mean reds, you mean like the blues?
Holly: No. The blues are because you're getting fat and maybe it's been raining too long, you're just sad that's all. The mean reds are horrible. Suddenly you're afraid and you don't know what you're afraid of. Do you ever get that feeling?
Paul: Sure.
Holly: Well, when I get it the only thing that does any good is to jump in a cab and go to Tiffany's. Calms me down right away. The quietness and the proud look of it; nothing very bad could happen to you there. If I could find a real-life place that'd make me feel like Tiffany's, then - then I'd buy some furniture and give the cat a name! 

New York ist ein weiterer Hauptdarsteller des Films und wenn man genau hinschaut, weiß man wo  "Sex and the City" und unzählige andere NY Filme und Serien ihren Blick auf diese Stadt gefunden haben.
Also , für die Filmfreaks unter euch, wenn ihr Weihnachten nicht zum hundertsten Mal "Little Lord Fountleroy" oder "It's a wonderful life" ansehen wollt, "Frühstück bei Tiffany" und einen oder zwei Drinks eurer Wahl und fröhliche Weihnachten!


Die Darsteller: Audrey Hepburn als Holly Golightly, so schön, dass es fast unwirklich ist, George Peppard, als der blonde All-American Toyboy, die schon erwähnte Katze und Mickey Rooney als japanischer Nachbar Mr. Yunioshi. Henri Mancini hat die Musik geschrieben, vielleicht kennt ihr ja "Moon River", Audrey Hepburn singt übrigens das Original selbst, und sehr wichtig, wenn auch herrlich unrealistisch, die Kostüme der Heldin sind von Givenchy.

Zur Unterhaltung und zum Schrecken noch die Sexabteilung des Hays Codes, galt, wenn auch schon aufgeweicht, immerhin bis 1968! 
Sex
The sanctity of the institution of marriage and the home shall be upheld. Pictures shall not infer that low forms of sex relationship are the accepted or common thing.
1. Adultery, sometimes necessary plot material, must not be explicitly treated, or justified, or presented attractively.
2. Scenes of Passion
  a. They should not be introduced when not essential to the plot.
  b. Excessive and lustful kissing, lustful embraces, suggestive postures and gestures, are not to be shown.
  c. In general passion should so be treated that these scenes do not stimulate the lower and baser element.
3. Seduction or Rape
  a. They should never be more than suggested, and only when essential for the plot, and even then never shown by explicit method.
  b. They are never the proper subject for comedy.
4. Sex perversion or any inference to it is forbidden.
5. White slavery shall not be treated.
6. Miscegenation (sex relationships between the white and black races) is forbidden.
7. Sex hygiene and venereal diseases are not subjects for motion pictures.
8. Scenes of actual child birth, in fact or in silhouette, are never to be presented.
9. Children's sex organs are never to be exposed.
Out of a regard for the sanctity of marriage and the home, the triangle, that is, the love of a third party for one already married, needs careful handling. The treatment should not throw sympathy against marriage as an institution. Scenes of passion must be treated with an honest acknowledgement of human nature and its normal reactions. Many scenes cannot be presented without arousing dangerous emotions on the part of the immature, the young or the criminal classes.
Even within the limits of pure love, certain facts have been universally regarded by lawmakers as outside the limits of safe presentation.
In the case of impure love, the love which society has always regarded as wrong and which has been banned by divine law, the following are important:
1. Impure love must not be presented as attractive and beautiful.
2. It must not be the subject of comedy or farce, or treated as material for laughter.
3. It must not be presented in such a way to arouse passion or morbid curiosity on the part of the audience.
4. It must not be made to seem right and permissible.
5. It general, it must not be detailed in method and manner. 

Es wird erzählt, dass z.B., wenn zwei Leute (Natürlich Mann und Frau UND sexuelle Beziehungen zwischen Weißen und Schwarzen (deren Formulierung, nicht meine) waren verboten.) miteinander ins Bett gingen, mußten beide mindestens einen Fuß auf dem Boden neben dem Bett behalten und zwar auf den gegenüberliegenden Seiten des Bettes. Rein sportlich gesehen wäre das doch mal ein amüsantes Experiment, oder?



Donnerstag, 16. Dezember 2010

W.H. Auden - In Erinnerung an W.B. Yeats

In Memory of W. B. Yeats  


I

He disappeared in the dead of winter:
The brooks were frozen, the airports almost deserted,
And snow disfigured the public statues;
The mercury sank in the mouth of the dying day.
What instruments we have agree 
The day of his death was a dark cold day.

Far from his illness
The wolves ran on through the evergreen forests,
The peasant river was untempted by the fashionable quays;
By mourning tongues
The death of the poet was kept from his poems.

But for him it was his last afternoon as himself,
An afternoon of nurses and rumours;
The provinces of his body revolted,
The squares of his mind were empty,
Silence invaded the suburbs,
The current of his feeling failed; he became his admirers.

Now he is scattered among a hundred cities
And wholly given over to unfamiliar affections,
To find his happiness in another kind of wood
And be punished under a foreign code of conscience.
The words of a dead man
Are modified in the guts of the living.

But in the importance and noise of to-morrow
When the brokers are roaring like beasts on the floor of the Bourse,
And the poor have the sufferings to which they are fairly accustomed,
And each in the cell of himself is almost convinced of his freedom,
A few thousand will think of this day
As one thinks of a day when one did something slightly unusual.

What instruments we have agree
The day of his death was a dark cold day.
II
     You were silly like us; your gift survived it all:
     The parish of rich women, physical decay,
     Yourself. Mad Ireland hurt you into poetry.
     Now Ireland has her madness and her weather still,
     For poetry makes nothing happen: it survives
     In the valley of its making where executives
     Would never want to tamper, flows on south
     From ranches of isolation and the busy griefs,
     Raw towns that we believe and die in; it survives,
     A way of happening, a mouth.

III
          Earth, receive an honoured guest:
          William Yeats is laid to rest.
          Let the Irish vessel lie
          Emptied of its poetry.

          In the nightmare of the dark
          All the dogs of Europe bark,
          And the living nations wait,
          Each sequestered in its hate;

          Intellectual disgrace
          Stares from every human face,
          And the seas of pity lie
          Locked and frozen in each eye.

          Follow, poet, follow right
          To the bottom of the night,
          With your unconstraining voice
          Still persuade us to rejoice;

          With the farming of a verse
          Make a vineyard of the curse,
          Sing of human unsuccess
          In a rapture of distress;

          In the deserts of the heart
          Let the healing fountain start,
          In the prison of his days
          Teach the free man how to praise.
 

Es gibt eine deutsche Übersetzung von Jandl, aber sie ist schwer und sehr teuer zu kriegen. Leider gibt es manche, viele Gedichte von Auden überhaupt nicht in Deutsch. Einige Liebesgedichte und ein schmales Bändchen mit einer Auswahl, das war es schon. Schade, sehr schade! Sollte dies ein Dichter lesen, da müßte etwas getan werden. Er hat auch wunderbare Gedichte zum "Sturm" geschrieben! 



In Erinnerung an W.B. Yeats
von W.H. Auden
Interlinear übersetzt von Bryant McGill, mit Änderungen von mir


1
Er verschwand in den Tiefen des Winters:
Die Bäche waren eingefroren, die Flughäfen verlassen,
Und Schnee entstellte die öffentlichen Statuen;
Das Quecksilber sank im Rachen des sterbenden Tages.
Alle vorhandenen Instrumente stimmen zu, dass der Tag
seines Todes ein dunkler kalter Tag war. 

Weit ab von seiner Krankheit,
Streiften die Wölfe weiter durch die immergrünen Wälder,
Floss der ländliche Fluss weitab der modischen Kais;
Durch klagende Stimmen
Wurde der Tod des Dichters vor seinen Gedichten geheim gehalten.

Aber für ihn war es sein letzter Nachmittag als er selbst,
Ein Nachmittag der Krankenschwestern und Gerüchte;
Die Provinzen seines Körpers revoltierten,
Die Plätze seines Verstandes standen leer,
Stille drang in die Vororte,
Der Strom seines Gefühls verebbte; er wurde zu seinen Bewunderern.

Jetzt ist er unter hundert Städten verstreut
Und vollständig übergeben an unvertraute Zuneigungen,
Um sein Glück in einem anderen Wald zu finden,
Und nach fremden Regeln des Gewissens bestraft zu werden.
Die Worte eines toten Mannes
Werden in den Eingeweiden der Lebendigen verändert.

Aber in der Bedeutsamkeit und im Lärm von Morgen,
Wenn die Aktienhändler wie  wilde Tiere auf dem Boden der Börse brüllen
Und die Armen das Leid ertragen, an das sie ziemlich gewöhnt sind,
Und jeder in seiner Zelle von seiner Freiheit überzeugt ist,
Werden einige tausend an diesen Tag denken,
Wie an einen Tag, an dem sie etwas Ungewöhnliches getan haben.

Alle vorhandenen Instrumente stimmen zu, dass der Tag
seines Todes ein dunkler kalter Tag war. 

2

Sie waren dumm wie wir; Ihr Talent überlebte alles:
Die Gemeinde der reichen Frauen, körperlichen Zerfall,
Sich selbst. Das verrückte Irland verletzte Sie in Poesie.
Irland hat immer noch seine Verrücktheit und sein Wetter,
Denn Poesie ändert nichts: sie überlebt
Im Tal ihres Entstehens, wo die Offiziellen
sich nicht einzumischen wagen, fließt weiter nach Süden
von den Höfen der Einsamkeit und des beschäftigten Leids,
Rohe Städte, denen wir glauben und sterben; sie überlebt,
Eine Art des Geschehens, eine Mund.

3
Erde empfange einen geehrten Gast:
Wir legen William Yeats zur Rast,
Lasst das irische Schiff fahren,
Entladen seiner Poesie.

Im Albtraum der Nacht
Bellen die Hunde Europas,
und die Nationen warten,
Jede, vereinzelt in ihrem Hass;

Intellektuelle Schande
Starrt aus jedem menschlichen Gesicht,
und die Meere des Mitleids liegen
Eingefroren und verriegelt in jedem Auge.

Komm Poet, komme gleich
Zur Unterseite der Nacht,
Überzeugen Sie uns doch noch zu jubeln,
Mit Ihrer Stimme, die uns nicht einengt.

Machen Sie einen Weinberg aus dem Fluch
Durch das Beackern eines Verses
Singen Sie vom menschlichen Misserfolg
in der Euphorie der Verzweiflung.

In den Wüsten des Herzens,
Lassen Sie die heilende Quelle fließen,
Im Gefängnis der Tage,
Lehren Sie den freien Mann zu danken. 

Mittwoch, 15. Dezember 2010

Pina Bausch

Wim Wenders hat einen Film über Pina Bausch gedreht!
PINA - Tanzt, tanzt sonst sind wir verloren 

1987, Ostberlin, eine Freundin schleppt mich, die leise unwillig meckert, zu einem Gastspiel einer Westdeutschen Tanztruppe aus Wuppertal ins Metropol Theater an der Friedrichstrasse (heißt heute Admiralspalast). Das Stück heißt "1980" und ich habe mit Tanz, insbesondere modernem Tanz,  nix am Hut. 
Das nächste, dass ich sicher weiß, ist wie ich aus meinem Sitz springe und Bravo schreie und nicht aufhören kann zu klatschen und meine rechthaberisch grinsende Freundin wild umarme.
Dazwischen, erinnert wie ein Traum: Mechthild Großmann's "Ist die Wiese schön grün!" in der erotischsten weiblichen Bariton-Stimme der Welt und Tänzer, nein, Darsteller, nein, Spieler, die tanzen, als wären sie aus flüssigem Eis oder Sonnenstrahlen und die mir dann ihre Wunden zeigen, die, die es ihnen möglich gemacht haben sich so überirdisch irdisch zu bewegen. Spieler, denen man glaubt, dass sie wissen was sie tun und warum, und die es dann wieder vergessen können, um einfach nur zu spielen. Es wurde viel gelacht an diesem Abend und gestaunt und genossen und verstanden. Beim Applaus in der Mitte der sich Verbeugenden, eine winzige kleine Frau mit der Ausstrahlung einer Supernova, stark, ganz zart, sehr ernst.


DarstellerInnen: Anne Marie Benati, Lutz Förster, Mechthild Großmann, Hans Dieter Knebel, Ed Kortlandt, Mari DiLena, Beatrice Libonati, Anne Martin, Jan Minarik, Vivienne Newport, Nazareth Panadero, Isabel Ribas Serra, Arthur Rosenfeld, Monika Sagon, Jean-Laurent Sasportes, Janusz Subicz, Meryl Tankard, Heide Tegeder




Dienstag, 14. Dezember 2010

Wunder auf der Schiene

Der heutige Eintrag hat nahezu nichts mit Theater zu tun und betrifft doch ein höchst theatralisches Ereignis. Freischaffende Theaterleute fahren sehr viel Bahn, ich z.B. heute mit meinem Bühnenbildner nach Ingolstadt in Bayern zur Bauprobe und danach wieder zurück nach Berlin. Es ist Winter, in Thüringen schneit es, man kann sich also unschwer unseren emotionalen Zustand vor dieser langen Fahrt (ca.11Stunden hin und zurück) vorstellen: Unruhe, leichter Angstschweiß, besorgte Angehörige. Heute früh um 6.39 Uhr die Hinfahrt, pünktliche Abfahrt und Ankunft und zwischendurch ein halbwegs geheizter Zug mit einem reizenden Zugführer, der sogar die für Raucher wichtigen längeren Stops an bestimmten Stationen vorher durchsagte. Es folgte eine wunderbar konzentrierte Bauprobe mit sehr aufgeschlossenen und interessierten Leuten im Theater Ingolstadt und dann:

Der Zug zurück nach Berlin, Abfahrt 15.58 Uhr ab Ingolstadt, ist in Berlin am Hauptbahnhof ZWEI MINUTEN ZU FRÜH eingetroffen!

Die Reisenden, mich eingeschlossen, verliessen den Zug schweigend, weil sprachlos und werden noch lange, sehr lange Zeit ihren Kindern und Kindeskindern mit ruhiger, ehrfürchtig gesenkter Stimme von diesem denkwürdigen Ereignis erzählen. Und ich durfte dabei sein.
Ich danke der Bundesbahn und ihren Mitarbeitern.

Montag, 13. Dezember 2010

Regieanweisung


Unter "Regieanweisung" (oder: "Szenenanweisung") wird hier verstanden, wie ein
Regisseur seine Vorstellungen von einer Figur bzw. einer Szene auf der Bühne
umgesetzt haben möchte. Dem Schauspieler/ Der Schauspielerin stellt er seine
Überlegungen dar und erklärt sie.
 



A   inhaltliche Aspekte
* Bestimmen Sie den zentralen Aspekt der Szene: Was soll der Zuschauer
(vor allem auch bezüglich der ausgewählten Figur) erkennen?

* Ordnen Sie die Szene in den Handlungsverlauf ein? Bzgl. der Figur:
Welches Problem hat sie? Charakterliche Züge? Soziale Daten?
Physische und psychische Verfassung? Absicht? ...

* Legen Sie die Kleidung fest. Soll die Kleidung ein Ausdrucksmittel sein? Wofür?


* Wollen Sie Aussagen zum Bühnenbild, zu Requisiten, zur Beleuchtung, zur Musik
machen? Welche Funktion haben Bühnenbild, Requisiten, ...

*** Im Mittelpunkt stehen nun die Anweisungen an den Schauspieler / die Schauspielerin:

detaillierte, präzise Hinweise zur Sprechweise (Tempo, Betonung,
Lautstärke, ...), zur Gestik, Mimik, zu Bewegungen...Begründen Sie einige Hinweise kurz, wichtige Textstellen ausführlich.  
 
Stellen Sie dabei Bezüge zu vorhergehenden Aussagen her (z.B. Psyche
und Charakter der Figur).
 


B   zur Sprache der Regieanweisungen


* Duzen Sie den Schauspieler / die Schauspielerin.

* Verwenden Sie Elemente der gesprochenen Sprache.

* Präzisieren und veranschaulichen Sie Ihre Aussagen durch treffende Adjektive,
Verben und Vergleiche.

* Bauen Sie Zitate ein und verwenden Sie als Zeitform Präsens.



Hach, wenn es denn so wäre!  Herrlich! Einige Elemente der gesprochenen Sprache mit Adjektiven, Verben und  Vergleichen, natürlich treffenden und DU, der Schauspieler, verstehst mich und ich dann auch DICH! Und wenn ich dann auch noch ein paar Zitate weiß, am besten Goethe im Präsens, da klappt es wie am Schnürchen. Hätte ich das nur schon früher gewußt!


http://www.fg-deutschkurse.de/deu/seiten/kreativ/regie.htm 
     

Banksy 3

Drei Schwestern

1979! Drei Schwestern im Maxim Gorki Theater mit Ursula Werner, Monika Lennartz und Swetlana Schönfeld. 

Die letztere steht als Irina vor dem Spiegel, ist wütend und will ihre Bürste gegen den Spiegel werfen, aber das ist etwas, das ein anständiges Mädchen nicht tut, sie unterläßt es also, ärgert sich dann darüber, dass sie es nicht einfach getan hat, wirft nun die Bürste doch noch, aber es ist zu spät, der ursprüngliche Impuls ist weg. Nun sehen wir eine Frau, die sich selbst verachtet. 

Gespielt in einer Minute, immer noch in meinem Kopf nach 31 Jahren. 
Und ich erinnere mich, dass ich bei dieser Premiere vor Glück geweint habe oder vor Unglück, wer weiß das schon so genau. Das ist mir im Theater in meinem bisherigen Leben genau dreimal passiert.






Sonntag, 12. Dezember 2010

ebay

Ich habe heute zum erstenmal an einer Versteigerung bei ebay teilgenommen. Das ist wirklich etwas Merkwürdiges! Man sucht das Erwünschte, hat, wie ich in diesem Fall, Glück, findet es und bietet. So weit, so gut. Aber dann überkam mich ein Fieber, das in keinem Verhältnis zur Wertschätzung des angestrebten Gegenstandes stand und ich wurde gierig!
Zwei mir völlig unbekannte Personen, d***f und j***2, ebay hält die "wahren" Identitäten der anderen Bieter geheim, wahrscheinlich damit es nicht zu Attentatsversuchen überhitzter Möchtegernkäufer kommt, also d***f und j***2 bieten mit und sind vielleicht reizende Leute, die genau wie ich versuchen, ein spezielles Weihnachtsgeschenk für einen Freund oder Verwandten zu ergattern und sie werden der FEIND! Mein Feind. Ich muß sie beobachten, im Auge behalten, wenn möglich austricksen. Scheinbar hat j***2 gestern abend aufgegeben, aber wer weiß, es könnte ein Trick sein und kurz vor Auktionsende schlägt er/sie doch noch zu? d***f bietet fleißig weiter, er/sie kann nicht wissen, dass mein Höchstgebot noch lange nicht erreicht ist und arbeitet sich nun in 50 Cent-Schritten langsam näher. Und ich schleiche angespannt um meinen Computer wie ein aufgegeilter Großwildjäger und warte, ersehne das Auktionsende. Geht es überhaupt noch um den auktionierten Gegenstand? Ich hoffe ja. Ich hoffe. 
Ein virtuelles Jagdabenteuer mit Real-Jagdlust. Hallali, es lebe das Internet!

Die tolle Jagd, sie macht mir weh und bange;
Je mehr ich fleh, je minder ich erlange.
W. Shakespeare Ein Sommernachtstraum


Und dies ist das Objekt der Begierde, nein keine Miniatur-Guillotine, sondern eine Brotschneidemaschine! Drückt mir die Daumen und sendet Abwehrstrahlen an d***f und j***"!
 

Freitag, 10. Dezember 2010

Donnerstag, 9. Dezember 2010

Casanova ein Film von Federico Fellini

Gedreht 1976 mit Donald Sutherland in der Titelrolle ist es einer der wenigen Filme, die ich mindestens 10 Mal gesehen habe. 
Wo anfangen? Das Szenenbild, theatralisch, gewaltig, eine barocke Sinnesorgie, die Menge der Details, Farben, Überraschungen nahezu überwältigend, nie naturalistisch, oft wie das Bühnenbild einer überdimensionalen Theaterinszenierung. Das Meer ist faktisch aus blauer Seide, der Kaiser bewegt sich auf einem meterhohen rollenden Stuhl, übergroße geschlossene Himmelbetten rumpeln durch Sex angetrieben durchs Haus, alles ist größer als es seien sollte, bunter, verlängert, verbreitert - kurz überhöht. Dazu Kostüme aus der Imagination eines lustbesessenen Barockbruders von Dolce und Gabbana oder einer -schwester von Vivienne Westwood, Danielo Donation wurde hierfür 1977 mit dem Oscar für das beste Kostümdesign ausgezeichnet. Eine zarte , sehr kleine, eingehüllte Nonne, erweist sich von hinten als offen für alles. Casanova selbst, eine schrille Überspitzung von Häßlichkeit und männlicher Sexualität.

Fellini soll lang nach einem Produzenten für das Projekt, die Verfilmung von Casanovas Autobiographie "Geschichte meines Lebens" gesucht haben, er fand ihn endlich in Alberto Grimaldi. Allerdings wird berichtet, dass Fellini zu diesem Zeitpunkt schon die Lust an der Unternehmung verloren hatte, er soll gesagt haben: "Ich hasse Casanova." 
Aber er hat den Film gemacht, Gott sei Dank, und Donald Sutherland als Casanova besetzt und entstanden ist vielleicht der unsentimentalste, garstigste und, für mich, wahrhaftigste Film Fellinis. 
Wie fast immer der MANN im Mittelpunkt, nur diesmal nicht Mastroianni, sondern dieser hagere kantige Kanadier mit der fabelhaften Stimme voller Erotik und einer offensichtlichen Lust an der Zersetzung eines, wenn nicht DES italienischen Nationalheiligtums.
Casanova als Philosoph und Schreiber sucht nach Anstellung und Anerkennung und niemand interessiert sich dafür, alle wollen ihn vögeln sehen, die einzige Profession in der er Erfolg hat. Es wird viel gevögelt in diesem Film, laut gestöhnt, wild gerammelt, präzise durchgefickt und kalt gerammelt, und nirgends eine Spur von Nähe. In der letzten Szene sehen wir Casanova, nun alt und angestellt als Bibliothekar eines Böhmischen Grafen, in der einzigen Liebesszene des Filmes, tanzend in großer Zärtlichkeit mit einer Puppe. Herzzerreißend.

Der Film war übrigens ein kolossaler Kassenflop. 
Fellini sagte später: "Was habe ich mit diesem Film machen wollen? Ein gutes Stück weiter zum letzten Grund des Kinos gelangen, zu dem, was meiner Meinung nach der totale Film ist. Also dahin, dass es einem gelingt, aus einem Film ein Gemälde zu machen. ... Das Ideale wäre ein Bild aus einem einzigen Bild zu machen, das ewig feststeht und voller Bewegung ist." (zitiert nach "Casanova", Diogenes 1977) und Sutherland: "“in his relations with actors, Federico was dreadful, a martinet, a tyrant.” aber auch “Fellini is constantly threatened by his own superficiality, and is constantly running away from it...".

Montag, 6. Dezember 2010

Max Ernst Pieta


Pietà ou La révolution la nuit (1923)


Erich Fried

Was es ist
Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe


Quelle: Erich Fried "Es ist was es ist. Liebesgedichte, Angstgedichte, Zorngedichte", Berlin 1996.


Höre auch das Lied von Mia. "Was es ist" auf dem Album "Stille Post".

Sonntag, 5. Dezember 2010

Hans Magnus Enzensberger

verteidigung der wölfe gegen die lämmer (1962)


soll der geier vergißmeinnicht fressen?
was verlangt ihr vom schakal,
daß er sich häute; vom wolf? soll
er sich selber ziehen die zähne?
was gefällt euch nicht
an politruks und an päpsten,
was guckt ihr blöd aus der wäsche
auf den verlogenen bildschirm?

wer näht denn dem general
den blutstreif an seine hosen? wer
zerlegt vor dem wucherer den kapaun?
wer hängt sich stolz das blechkreuz
vor den knurrenden nabel? wer
nimmt das trinkgeld, den silberling,
den schweigepfennig? es gibt
viel bestohlene, wenig diebe; wer
applaudiert ihnen denn, wer
lechzt denn nach lüge?

seht in den spiegel: feig,
scheuend die mühsal der wahrheit,
dem lernen abgeneigt, das denken
überantwortend den wölfen,
der nasenring euer teuerster schmuck,
keine täuschung zu dumm, kein trost
zu billig, jede erpressung
ist für euch noch zu milde.

ihr lämmer, schwestern sind,
mit euch verglichen, die krähen:
ihr blendet einer den andern.
brüderlichkeit herrscht
unter den wölfen:
sie gehen in rudeln.

gelobt sei'n die räuber; ihr,
einladend zur vergewaltigung,
werft euch aufs faule bett
des gehorsams, winselnd noch
lügt ihr, zerrissen
wollt ihr werden, ihr
ändert die welt nicht mehr.


 
sekundäres gerede.

ein poetischer text ist nicht mehr als das, was er enthält. deshalb kann er immer nur aus sich selber verständlich sein oder gar nicht. jede erläuterung, die von aussen kommt, und wäre es vom poeten selber, ist unnütz, ja ärgerlich. der verfasser, der sein produkt selber kommentiert, spricht sich sein eigenes urteil, wenn er das gedicht aus der poetischen in eine andere sprache rückübersetzt. er gibt damit nämlich zu, dass er das, was er mit den worten seines gedichtes sagte, auch anders, nämlich mit den worten seiner erläuterung hätte sagen können, also, wie das wort erläuterung zu verstehen gibt, lauterer, durchsichtiger, klarer. der satz, mit dem er seinen kommentar begänne, wäre bereits ein geständnis: «ich wollte mit meinem gedicht sagen...» – «warum haben sie es dann nicht gesagt?» die gegenfrage ist nur allzu berechtigt. mithin wäre das einzig richtige verfahren, über ein gedicht zu sprechen, die interpretation von fremder hand; mithin wäre alles andere sekundäres gerede oder indiskretion...

hans magnus enzensberger
[in: die entstehung eines gedichts]

Samstag, 4. Dezember 2010

Kinderoper und acapella Gesang

Morgens mit meiner Nichte in der Komischen Oper zur "Schneekönigin" und abends im Cafe Schallote bei "Muttis Kindern", Theaterüberdosis!
Am Morgen viel Bühnenbild, zauberhafte Kinderchöre, teils schlecht verständlicher Gesang und KEINE SCHNEEKÖNIGIN! Um meine Nichte zu zitieren: "Du, weißt Du, ich war schon ein bißchen enttäuscht, das die gar keine Schneekönigin hatten." Ich kann dem nur zustimmen. Symbolträchtiges gleißendes Licht und sphärische Klänge ersetzen nicht die grandiose Bösewichtin des Abends. Wenn es keinen wirklich faszinierenden Feind gibt, sind doch die Heldentaten Gerdas' nur halb so bewundernswert, oder?
Auch wurde irgendeiner Form die Erkaltung Kais' durch die Spiegelscherbe mit plötzlichem fanatischen Interesse für Mathematik und möglicherweise, weil nicht gut hörbar, Astronomie gleichgesetzt, während die warme, gefühlvolle Phase durch ein Lied über eine blaue Rose (blaue Blume der Romantik, wink, wink) konstatiert wurde. Kai und Gerda sind übrigens in dieser Variante Freund und nicht Geschwister, versteht ihr?
Beide Kinder trugen, wohl damit sie als Kinder erkennbar waren, Kniestrümpfe im tiefsten Winter. (Es gibt genau zu diesem Punkt einen tollen Aufsatz von Roland Barthes in den "Mythen des Alltags" über 'Römer im Film'.) 
Schöne Bilder hier und da, Musik, die manchmal an veroperte West Side Story Melodien erinnerte und, außer von der Sängerin der Gerda und den oben schon erwähnten Chören, wenig Kommunikation mit den zuschauenden Kindern.
Die Vorstellung ist immer ausverkauft (! Es wird offensichtlich zuwenig Theater für Kinder produziert!) und ist ein Erfolg. Trotzdem waren wir, meine Nicht und ich, anschließend leicht betrübt.
Abends dann, ein Konzert einer dreiköpfigen acapella Kapelle "Muttis Kinder", bestehend aus Claudia Graue, Markus Melzwig und Christoph Nell. Die drei haben sich vor Jahren an der Rostocker Schauspielschule zusammengefunden und singen seitdem, und wie sie singen! Ich kenne die Gruppe schon einige Jahre und sie wird immer besser. In diesem Jahr haben sie den 1. Platz, das Goldene Diplom und den Publikumspreis für Comedy, sowie ein Goldenes Diplom und den "Award for outstanding Performance (Pop) bei Vokal.Total in Graz gewonnen. So eine Lust ihnen zuzuhören und zu schauen. Drei Schauspieler die es lieben, zu singen UND zu spielen. Nicht nur schöner Gesang, nicht nur Spaß, nicht nur, sondern, sowohl als auch. Kleine Meckerei am Rande, eine gewisse anarchische Gefährdung des Vortrages, schien mir früher, stärker zu sein. Das ist nur so ein Eindruck, und vielleicht ist das der Preis, den sie für die gewachsene Perfektion zahlen müssen. 
http://www.muttis-kinder.de/index.html

Freitag, 3. Dezember 2010

Benjamin Franklin

They that can give up essential liberty to obtain a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety. – Benjamin Franklin

Die ihre grundlegende Freiheit aufgeben können , um ein wenig befristete Sicherheit zu gewinnen, verdienen weder Freiheit noch Sicherheit. -– Benjamin Franklin

Tja, schön gesagt, schwer gelebt. 
Wie würde es sich anfühlen, wenn ich den mit den üblichen Kompromissen vollgepackten Sack, Handgepäck der meisten von uns, eines Tages öffnete, ausschüttete, genau betrachtete und mich entschliessen würde das Zeug einfach nicht mehr mit mir rumzuschleppen. Wie würde ich mich dann fühlen? Befreit? Panisch? Arbeitslos? 
SICHERHEIT, über das Wort / das Ding / den Begriff muss ich nachdenken. 
Wann fühle ich mich sicher? Sicherlich nicht, wenn ich Angst habe. Wann habe ich Angst? Ständig. Wovor? 



Mit Sicherheit ist das keine Pfeife. Das kann ich Ihnen versichern. Sie werden mir doch sicher glauben. Sicherlich hatten Sie es selbst schon bemerkt. Aber sicher ist sicher, schauen Sie nochmals genau hin.

Anglizismen

Der oder das Link?
Duden: Link, der, auch: das; -s, -s [engl. link = Verbindung, verw. mit →Gelenk]: Kurzf. von →Hyperlink
Der oder das Blog?
Duden: Blọg, das, auch: der; -s, -s [engl. blog, gek. aus: weblog (EDV Jargon): Weblog.

Mein erster Kommentar - Von Hatto Fischer

Athen den 3.12.2010
Liebe Johanna,
einmal erzählte uns der italienische Maler Ferruccio Marchetti eine Geschichte die tatsächlich in seinem Dorf stattfand. Da gab es einen Mann der ein großes Karusell besitzte. Er war stolz darauf. Die Kinder und Erwachsene kletterten gerne in die von Ketten hängenden Sitze um dann beim immer schneller Drehen weit hinaus getragen zu werden. Rund und Rung ging es. Eines Tages befand sich der Mann in der Dorfkneipe. Es war eine fröhliche Runde die spät in die Nacht andauerte. Als die Zeit nahte zum Aufbruch kam plötzlich die Idee auf doch noch eine Runde mit dem Karusell zu drehen. Schnell gesagt, schnell realisiert. Also kletterten alle in ihre Sitze, auch der Karusellbesitzer und drückte den Kopf um die Drehung zu starten. Als das Karusell bereits im vollen Schwung war, dämmerte es ihm und den anderen keiner war zurück geblieben, um den Knopf zum Stop zu drücken. Für Stunden mußten die unfreiwilligen Fahrgäste die schwindligen Drehungen ertragen. Erst am frühen Morgen kam der Sohn des Besitzers zufällig vorbei und befreite sie von dieser endlosen Fahrt.
Ich weiß nicht warum mir plötzlich diese Geschichte in den Kopf kam. Nachdem Ferruccio diese Geschichte erzählt hatte, lachten wir alle. Aber als Metaphor kann sie fürs ganze Leben geltend gemacht werden. Wir steigen ein ins Leben insofern wir hineingeboren werden und dann drehen sich manchmal die Dinge weiter und viel schneller als was wir jemals vorgehabt hatten, und keiner kann uns retten weil alle sich mit uns im gleichen Drehkreis befinden.
Was Du also vorhast mit dem Schreiben zur alltäglichen Liebe, und ich hoffe Dich richtig verstanden zu haben, dann kann ich mit einem weiteren Beispiel ansetzen. Momentan arbeite ich teilweise in Dänemark da die Stadt Sonderborg sich um den Titel Kulturhauptstadt von Europa im Jahre 2017 sein zu wollen. Es muß ein Program für ein Jahr aufgestellt werden. Wir haben damit begonnen die Stadt und die ganze Region, die ja die Deutsch-Dänische Grenze miteinbezieht und deshalb Flensburg und Schleswig Holstein meint, zu verstehen, und zwar als Potential für eine neue Definition von Nachbarschaft die über Grenzen hinweg das Miteinanderleben praktiziert. Das dies nicht selbstverständlich ist, wissen wir alle. Heutzutage leben wir oftmals zusammen aber nur in einem abstrakten Sinne weil wir den echten Sinn der Nachbarschaft verloren haben. Und ein guter oder schlechter Nachbar kann auch die Geliebte oder der Geliebte sein. Irgendwo ist also die Liebe auf der Strecke geblieben oder wir erfahren sie nur noch selten, sporadisch sozusagen, quasi als Ausnahme doch wir befinden uns nicht im Ausnahmezustand wo härtere Gesetze gelten sondern im konventionellen Sinne in einer Realität des Schweigens und des oftmals hinfälligen Bemühens irgendwie doch noch einen Sinn an Leben aufrecht zu erhalten. Das kommt gleich dem armseligen Blumentopf der vermutlich mit seiner Pflanze nicht den harten Winter überstehen werden. Vermutlich ist das dann das Problem: wie werden wir gerecht gegenüber uns selbst denn das Erforderlich, nämlich die Liebe, kann nicht wie Gewerkschaften das tun wenn sie einen höheren Lohn für getane Arbeit wollen, nicht gefordert werden. Liebe entzieht sich jeglicher Logik und doch ist ihr das was wir auf Englisch mit 'Reasoning' nicht fremd. Aber wenn Du mit dem Begriff der Liebe klar kommen möchtest, um so besser wenn wir daran teilnehmen können, denn Deine Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit ist bewunderswert. Also bitte sage Bescheid wo wir diese alltäglichen Beschreibungen lesen können.
Mit einem lieben Gruß aus Athen
hatto