Donnerstag, 23. Juni 2011

Rilke übersetzt Elizabeth Barrett-Browning - Sonette aus dem Portugiesischen 1

Elizabeth Barrett-Browning wurde 1809 in England geboren und starb 1861 im Casa Guidi in Florenz. 52 Jahre zwischen Geburt und Tod, eine Lebensgeschichte, romantischer, als manche Werke ihrer Zeitgenossen - der Romantiker.

1805 beschloss Edward Moulton-Barrett, Besitzer vieler Sklaven und einer großen jamaikanischen Zuckerrohrplantage, seinen Besitz einem Verwalter zu übergeben, mit seiner Familie, bestehend aus elf Kindern und einer Frau, nach England zu ziehen und dort ein Landgut zu kaufen. So kam es, dass Elizabeth in England geboren wurde und in mehr als "behaglichen" Verhältnissen in Coxhoe Hall in Durham aufwuchs. 
Sie wurde, was üblich war, zu Hause geschult, las früh und viel, schrieb mit 10 erste eigene Gedichte, erkrankte mit 14 an einem nicht näher bezeichneten Lungen- oder Nervenleiden, ein Jahr später folgte ein Reitunfall mit Rückgratverletzung und somit waren alle Vorraussetzungen für ein tragisches Schicksal gesetzt.
Abwarten.
Sie lernte Latein, Griechisch und Hebräisch, schrieb, schrieb, war rege in Bibel- und Missionarsgesellschaften tätig und veröffentlichte 1826 erste Gedichte. Ach ja, 1822 verschrieb ein Doktor für oder gegen ihre nervösen Störungen Opium, von dem sie bis an ihr Lebensende abhängig blieb. Eine kleinere Liebesgeschichte mit einem blinden (!) Gelehrten mittleren Alters ging schnell vorbei, die Mutter starb 1828. Der Niedergang der Barrettschen Besitzungen durch Mißwirtschaft und den anwachsenden erfolgreichen Kampf gegen die Sklaverei in Jamaika, führte zum Verkauf der Plantage und den wirtschaftlichen Niedergang der Familie. Das Landgut ging drauf, Elizabeth und ihr Vater zogen in eine Wohnung in London, wo sie 1837 einen Blutsturz in der ohnehin schwachen Lunge erlitt, 1838 brachte sie einen Band Gedichte heraus, musste dann für ein Jahr zur Rehabilitation ans Meer, nach Torquai, wo Jahre später Agatha Christie für ein Jahr verschwand, dort ertrank ihr Lieblingsbruder beim Baden. 
Tragisch? Abwarten.
Die nächsten Fünf Jahre verbrachte sie abgeschnitten von der Welt, mit ihrem zunehmend besitzergreifenden und tyrannischen Vater im Londoner Haus in der Wimpole Street, die meiste Zeit bettlägerig. Und schrieb, und schrieb. 1844 erschien die zweite Gedichtssammlung "Poems". Edgar Allen Poe schrieb das Vorwort zur amerikanischen Ausgabe, das Buch war sehr erfolgreich und machte sie berühmt. Aber sie blieb einsam und krank.
1845 erhält sie ein Telegramm: "I love your verses with all my heart, dear Miss Barrett. I do, as I say, love these books with all my heart--and I love you too."

Auftritt Robert Browning. 

Michele Gordigiani, Robert Browning (1858)
Elizabeth war 39, sozusagen eine alte Jungfer, kränklich und scheu. Robert 6 Jahre jünger als sie, gutaussehend, wohlhabend, erfolgreich. Die beiden sahen sich im Somer 45 zum ersten Mal, ein einjähriger intensiver Briefwechsel folgte. Elizabeths Vater widersetzte sich der Beziehung heftigst, er ließ nichts unversucht, die beiden auseinander zu bringen. Nach ihrer Heirat, von der sie dem Vater erst eine Woche nach der Hochzeit erzählte, enterbte er sie, sie wird nie wieder ein Wort mit ihm wechseln. Er hat übrigens alle Kinder enterbt, die ohne seine Einwilligung geheiratet haben und er gab nie seine Einwilligung.
Das nicht so junge Ehepaar zog nach Italien, es soll eine sehr glückliche Ehe gewesen sein, beide arbeiteten viel, sie bekamen einen Sohn, 1861 starb sie in den Armen ihres Mannes. Robert hat nicht wieder geheiratet.




XLIII

How do I love thee? Let me count the ways.
I love thee to the depth and breadth and height
My soul can reach, when feeling out of sight
For the ends of Being and ideal Grace.

I love thee to the level of everyday's
Most quiet need, by sun and candle-light.
I love thee freely, as men strive for Right;
I love thee purely, as they turn from Praise.

I love thee with a passion put to use
In my old griefs, and with my childhood's faith.
I love thee with a love I seemed to lose

With my lost saints, --- I love thee with the breath,
Smiles, tears, of all my life! --- and, if God choose,
I shall but love thee better after death.  
Elizabeth Barret-Browning, 1850




XLIII

Wie ich dich liebe? Laß mich zählen wie.
Ich liebe dich so tief, so hoch, so weit,
als meine Seele blindlings reicht, wenn sie
ihr Dasein abfühlt und die Ewigkeit.

Ich liebe dich bis zu dem stillsten Stand,
den jeder Tag erreicht im Lampenschein
oder in Sonne. Frei, im Recht, und rein
wie jene, die vom Ruhm sich abgewandt.

Mit aller Leidenschaft der Leidenszeit
und mit der Kindheit Kraft, die fort war, seit
ich meine Heiligen nicht mehr geliebt.

Mit allem Lächeln, aller Tränennot
und allem Atem. Und wenn Gott es giebt,
will ich dich besser lieben nach dem Tod.  
Rainer Maria Rilke, 1908

2 Kommentare:

  1. dass Hingabe so leicht formulierbar scheint und dass Sprache Anspruch und Demut so logisch verbinden kann

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  2. Alexander Höchst24. Juni 2011 um 10:05

    Sie ging, so scheint es, versöhnt mit ihrem Leben im Glück. Ein sehr tröstendes Schicksal, was einen unbändigen Lebensmut beschreibt. Ihre Poesie zeigt wunderbar und klar ihre starke Liebe und gibt uns Kraft, weiter an sie zu glauben. Ich spüre intensiv, wie sehr die Leidenschaft sie bis in jede Faser ausfüllte. Ihre Zeilen machen sie zu einer Vertrauten weitab im Universum und ganz nah bei mir. Danke!

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