Sonntag, 4. September 2011

Super Sad True Love Story

Wie könnte ich das Genre dieses Buches bezeichnen? Schelmenroman? Science Fiction? Eine Romanze? Vielleicht ordne ich es besser einer Traditionslinie zu, der von "IKS Haken - Catch-22", denn es hat einen zartbesaiteten und sehr verwirrten Helden in großer Not und einem Ödipuskomplex von gigantischer Größe, oder Ray Bradbury's "Fahrenheit 45", bei Shteyngart sind Bücher zwar nicht verboten,  aber als schlechtriechend und nahezu pornographisch verschrien. Mit Äpparatis, weiterentwickelten i-Phones, kann man schneller und müheloser an "Infos" kommen, überhaupt sind alle immer und unentwegt vernetzt und folgen "Streams" und beobachten panisch ihre "Persönlichkeits-Ratings".  Oder "Clockwork Orange", auch hier haspeln Personen eine futuristische und doch beängstigend wiedererkennbare Sprache, die da weitergeht, wo LOL und ❤ u und xoxoxo und : ))) heute im Chat beginnen.
Gary Shteyngart wurde 1972 in Leningrad geboren, ein russischer Jude, der mit sieben mit seinen Eltern nach den USA auswanderte und in Queens aufwuchs. Der  New Yorker Stadtbezirk Queens hat circa 2,3 Millionen Einwohner, wovon etwa die Hälfte Immigranten sind, und man kann ihn sich wie einen riesigen Vorort vorstellen, Randlage in Übergröße, dichbesiedelt, aber irgendwie nicht großstädtisch und auch noch Standort der beiden großen New Yorker Flughäfen. Shteyngart schreibt über die New Yorker Stadtbezirke dann auch, wie über einander fremde Welten, mit Manhattan als aggressionsgeladenem und egogefülltem Zentrum.
New York und die USA mit dem Bundesstaat SecurityIsrael sind, könnte man sagen, die Antagonisten unseres Protagonisten Lenny Abramowski. Die Verschuldung der USA bei der Chinesischen Weltbank hat ein Ausmaß erreicht, dass täglich mit der Machtübernahme gerechnet werden muß. Bürger werden auf der Strasse ständig auf ihre Kreditwürdigkeit gescannt,  die Allgegenwart diktatorischer Polizeikontrollen muss, so ist auf den Warnschildern zu lesen,  "geleugnet" werden, Zustimmung wird "impliziert", das ist genial.
Und dann die Liebesgeschichte unseres Helden, so zart, so voll jüdischem Selbsthass, so ahnungslos und allbeschützend.

Eine herztraurige Satire, vielleicht ist es das.


Autor: Gary Shteyngart Übersetzer: Ingo Herzke erschienen bei Rowohlt



Noch ein paar Tipps:
"IKS Haken -Catch-22" Joseph Heller
"Clockwork Orange" Anthony Burgess
"Fahrenheit 45" Ray Bradbury
Alle auch exzellent verfilmt!

2 Kommentare:

  1. Wie gut, dass Rezeption von Kunst ebenso subjektiv ist, wie der Geschmack beim Essen. Wenn nicht, gäbe es sehr, sehr wenig Bücher.
    Die Kritik in der Zeit war vernichtend, es wäre ein leider sehr schlechtes Buch mit hohem Fickfaktor und ohne Seele.

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  2. Da hast Du völlig Recht - was wen betrifft oder rührt oder lächeln macht in der Literatur, ist ein schwer festlegbares Ding.
    Ich weiss aber, dass ich das Buch nicht weglegen mochte, wollte weiterlesen und wissen, was diesen Leuten geschieht.
    Für mich ist es ein Buch über Seelenlosigkeit von einem, der um seine Seele fürchtet.

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