Montag, 14. November 2011

Ein albernes Löwengedicht & Pirosmani 2


Landgraf Ludwig und der Löwe

Der heil'ge Ludwig tritt hervor
Aus Wartburgs hochgewölbtem Thor,
Er grüßet fromm den Morgenstrahl
Und schaut herab auf Stadt und Thal.

Und als er so hinunterschaut,
Schreckt ihn ein donnergleicher Laut.
Er wendet sich nach dem Geschrei,
Und sieht bestürzt den Löwen frei,

Den Löwen, den man ihm geschenkt,
Der seinen Kerker heut gesprengt; —
Sein Haupt, vom Mähnenhaar umrollt,
Bewegt er wild, die Stimme grollt.

Und seiner Augen Flammenstern
Ist starr gerichtet auf den Herrn,
Doch dieser blickt so fest ihn an,
Wie ihm der Löwe kaum gethan.

Und Auge fest in Auge ruht,
Der Landgraf aber droht voll Muth:
„Gleich lege dich, mein edles Thier!
Bei meinem Zorn befehl' ich's dir!"

Da hat der Löwe sich, erschreckt,
Zu Ludwigs Füßen hingestreckt,
Es hielt die Riesenkraft im Bann
Der Zornblick von dem frommen Mann.

Ein fester Blick, ein kühner Muth,
Die sind zu allen Zeiten gut.
Der Leu des feindlichen Geschicks
Weicht oft dem Feuer kühnen Blicks.

Ludwig Bechstein

 Nico Pirosmani

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