Montag, 31. Dezember 2012

Life of Pi - Schiffbruch mit Tiger


Ihr werdet ja schon bemerkt haben, dass ich eine heftige Schwäche für Großfilme, unfeiner Blockbuster genannt, habe. Hier ist wieder einer, aber einer von anderer Art.

Dieser Film von Regisseur Ang Lee, der auch Sinn und Sinnlichkeit, Der Eissturm, Brokeback Mountain und aber auch den Hulk gedreht hat, und der auf einem Roman des Kanadiers Yann Martel basiert, hat mich richtig überrascht. Das Buch hatte ich nicht zu Ende gelesen, die meisten Kritiken des Filmes waren überschwenglich, aber ein Freund kam genervt und ermüdet aus dem Kino und klagte über angestrengten Tiefsinn.

Was ich dann gesehen habe, war eine ganze, fremde Welt. Gänzlich unnaturalistisch, die Farben überirdisch leuchtend, die Perspektiven präzise irreal, wie in Renaissancegemälden, theatralisch gespielt und, in tiefem meinerseitigen Respekt, von einer technischen Perfektion, die mich kinderstaunen macht. Nichts ist echt, authentisch, kein lebender Tiger, kein Meer, kein Himmel, alles ist Kunst-Werk, nur die menschlichen Darsteller werden wirklich nass. Und der Film behauptet auch in keiner Sekunde etwas anderes zu sein, als künstlich, nicht die Wirklichkeit imitierend, sondern eine, die eigenen Visionen befördernde, schaffend.

Suraj Sharma in Life of Pi
Photograph courtesy 20th Century Fox Film Corporation.


Der Held, ein sehr junger indischer Hiob (Pi Patel - Suraj Sharma) erzählt zwei Geschichten über seinen Schiffbruch, sein Märtyrium. Eine lange, bildreiche, grausam doch voller phantastischer Hoffnung und mystischer Bildhaftigkeit, mit Tiger und Zebra und menschenfressenden Wunderinseln, und eine andere, viel knapper, fast statisch, von realistischer Brutalität und Egozentrik, von Mord und Jähzorn.
Und gegen Ende fragt er den, dem er seine Geschichten "berichtet" hat:
- Welche Geschichte gefällt Dir besser?
- Die, mit dem bengalischen Tiger.
- Und so ist es eben auch mit Gott.


Sonntag, 30. Dezember 2012

René François Ghislain Magritte wird photographiert




Magritte 1966 © Bill Brandt


Rene Magritte at MOMA, 1965. © Steve Schapiro



Magritte (Coming and Going), 1965 © Duane Michals 



1965 © Duane Michals


1965 © Duane Michals


© Lothar Wolleh



1967 © Lothar Wolleh

Samstag, 29. Dezember 2012

Johannes Grützke - Gesicht, Fresse, Fratze



Johannes Grützke

"Die ganze Welt in meinem Spiegel" im Ephraim Palais 

     Vielleicht liegt es daran, dass mein eigenes Gesicht eher zu Spitting-Image-artigen
     Gesichtsausdrücken neigt, womit ich sagen will, dass subtil nicht unbedingt das
     erste Wort ist, das Betrachtern in den Sinn kommt, wenn ich lache, lächle, weine oder
     sonst irgendwelche Regungen zeige, meine Gesichtsmuskeln kennen nur Ruhe oder
     richtig harte Arbeit - also vielleicht liegt es also auch daran, dass ich heute ein solches
     Vergnügen an den Bildern von J. Grützke hatte. 
     Er malt mit fetten Strichen, nicht grob, aber großzügig und wagemutig, und mit 
     starken, kraftvollen Farben. Er mischt widersprüchliche Perspektiven und 
     Größenverhältnisse, er ist häufig sein eigenes Modell, was er damit begründet, dass er
     halt immer anwesend sei. Er hat Witz und er sagt, man sieht nicht das Bild, sondern
     Pinselstriche, und er muß arbeiten wie ein Wahnsinniger, wenn man nachliest, was er
     alles tut: Maler, Schriftsteller, Geiger, Illustrator, Bühnenbildner....
     Er schafft monumentale Gemälde, Bilder, die die zarten Räume des Ephraimpalais
     nahezu sprengen. Der Herr Richter, den ich ja nicht so sehr schätze, bekam so viel
     Platz in der Nationalgalerie, und Herr Grützke muß sich mit Puppenzimmerausmaßen
     zufrieden geben. Das ist ungerecht.  
    
Ich hab auch bei der Auswahl die riesigen Vielpersonendarstellungen weggelassen.

     die sind zu grandios für die Größe dieser Seite.


"Selbstbildnis", Öl auf Leinwand, 100x80cm, 2000

Wiki sagt:
    Von den 26 Gesichtsmuskeln des Menschen sind im Wesentlichen acht für 
    die Mimik verantwortlich:
    Der Augenbrauenheber, auch Stirnmuskel genannt, liegt in ganzer Breite auf 
    der Stirn bis hin zum Haaransatz und ist ein Teil des Musculus occipitofrontalis, 
    der durch die Galea aponeurotica vom dorsalen Teil getrennt ist. 
    Der Augenbrauensenker kann die gesichtsmittige Seite der Augenbrauen nach 
    unten ziehen und sorgt so für das Stirnrunzeln.
    Der Augenlidheber ist ein kurzer Muskel, der bei erstaunter Mimik eine Rolle 
    spielt. Dieser Muskel wird zu den Augenmuskeln gezählt.
    Der Augenringmuskel umschließt jeweils ein Auge. Er sorgt für das Schließen 
    der Augenlider und ist somit für das Blinzeln verantwortlich.
    Der Oberlippenheber oder Kleine Jochbeinmuskel ist ein dreisträngiger Muskel, 
    der ausgehend von Jochbogen/unterem Rand der Augenhöhle/Nase an der 
    Oberlippe mündet. Mit ihm drücken wir Ekel aus.
    Der Große Jochbeinmuskel gehört zur Lachmuskulatur und verbindet den 
    Jochbogen mit dem Mundwinkel.
    Die Lippendehnmuskeln sind erstens der Musculus risorius, der sich vom 
    Mundwinkel hinter die Kinnlade erstreckt, und zweitens das Platysma, 
    ein flacher Halshautmuskel, der ausgehend vom Mundwinkelbereich 
    sich stark verbreiternd über den Hals bis zum Brustansatz fortsetzt. 
    Das Platysma wird von manchen Autoren nicht zur Mimischen Muskulatur gezählt, 
    da es sich nicht mehr im Gesicht befindet.
    Der Mundringmuskel oder Lippenspannmuskel umschließt den Mund ringförmig. 
    Er ist an keinem Knochen fixiert, sondern wird von anderen Muskeln gehalten. 
    Daher ist er besonders beweglich.
    Der Mundwinkelherabzieher verbindet die Unterlippe am Mundwinkel mit dem 
    unteren Kieferrand.
    Der Unterlippenherabzieher kann die Unterlippe gerade herabziehen.
    Der Schmollmuskel setzt am Kinn an. Sieht die Haut auf dem Kinn runzelig aus, 
    ist dieser Muskel aktiv.
    Auf Grund der Achsensymmetrie des Gesichts kommen fast alle der genannten 
    Muskeln zweifach vor.

"19.2.99", Buntstift auf Papier, 65x45, 1999

„Ein Maler, der es ernst meint, nennt sich Maler, und was er macht, ist Malerei.“ J.G. 

"Der Mord an Marat" 1989

 
"Moses Mendelssohn" 2008 Öl/Leinwand, 100 x 80 cm


Selbstbildnis mit Lorbeer, 1972, Öl auf Leinwand, 60 x 80 cm

 Die Brüder

Gesicht, mein Gesicht:
wessen bist du; für was für Dinge
bist du Gesicht?
Wie kannst du Gesicht sein für so ein Innen,
darin sich immerfort das Beginnen
mit dem Zerfließen zu etwas ballt?
Hat der Wald ein Gesicht?
Steht der Berge Basalt
gesichtlos nicht da?
Hebt sich das Meer
nicht ohne Gesicht
aus dem Meergrund her;
Spiegelt sich nicht der Himmel drin
ohne Stirn ohne Mund ohne Kinn?
Kömmen einem die Tiere nicht
manchmal als bäten sie: nimm mein Gesicht.
Ihr Gesicht ist ihnen zu schwer
und sie halten mit ihm ihr klein-
wenig Seele zu weit hinein
in das Leben. Und wir,
Tiere der Seele, verstört
von allem in uns, noch nicht
fertig zu nichts; wir weidenden Seelen:
flehen wir zu dem Bescheidenen
nächstens nicht um das Nicht-Gesicht
das zu unserem Dunkel gehört -
Rainer Maria Rilke 1906 Capri


Freitag, 28. Dezember 2012

Traum-Anatomie - Giulio Casserio & Odoardo Fialetti



ANATOMISCHE TAFELN
Körperwelten der Renaissance

Giulio Casserio - Anatom - ca. 1552-1616
Odoardo Fialetti - Zeichner - ca. 1573 - 1638





Venedig 1627


Mittwoch, 26. Dezember 2012

Klein, fein und jetzt mein


Ich habe heute ein technisches Gerät geschenkt bekommem, das etwa 3 x 2 cm groß ist, zuzüglich eines circa 10 cm langen, ausziehbaren Stabes aus Metall, nennen wir es, ungläubig staunend, eine Antenne. Wenn ich dieses Ding in mein iPhone oder in mein 
ebenfalls weihnachtlich neues iPad stecke, kann ich damit Fernsehen gucken. Dieses winzige Zauberinstrument, fängt die "Fernsehstrahlung" ein und erlaubt mir, zum Beispiel in Berlin, 46 Fernsehsender zu gucken, ohne ins Internet zu gehen. Das auf allen 46 
Sendern meist nur Quatsch läuft, den man gar nicht sehen mag, ist hierbei irrelevant.

Als ich vor ungefähr einhundert Jahren begann, die technischen Errungenschaften der Neuzeit für meine Unterhaltungszwecke, zu verwenden, schob ich noch voller Ehrfurcht eine 45er Schallplatte, (die anderen Rentner unter euch erinnern sich noch,) 
in einen orangenen Apparat aus dem Westen, ja, ich hatte Westverwandtschaft, und konnte dann ein Lied so oft hören, wie ich wollte. Einige meiner wenigen Schallplatten, 
mein einsilbiger Nachname war willige Grundlage vieler entsprechender Witze, waren aus biegsamer Plaste und Einleger einer von meiner Familie abonnierten russsischen Kinderzeitung, die Wesjoleyje Kartinki hieß, (Вҽҫѹӆҽіӗ ӄӑҏҭӣӈҝӣ - seid nicht sauer, wenn dieser Name falsch geschrieben ist, meine widerwillige Beschäftigung mit dem kyrillischen Alphabet liegt gute und mittelmäßige 30 Jahre zurück.) 
 Und heute, nur 40 Jahre später, trage ich meine immens große Musikbibliothek in einem kleinen Metallkasten mit mir herum und kann, wenn ich will, Fernsehen gucken, indem ich ein noch kleineres Teil in einen Stecker eines ebenfalls ziemlich kleinen Apparates stecke. Ja, ich weiss, die Welt ist für viele Mitmenschen kein guter Ort und die Zukunft sieht oft wirklich düster aus, aber manchmal freue ich mich doch, über etwas, das wir, eben diese Menschen, erdenken und erschaffen, und hoffe, dass unsrere Erfindungsgabe und unsere Lust an der Schönheit, doch noch alles zum Guten wendet. Und wenn wir nicht gestorben sind, dann ...




Hoffnung

Es reden und träumen die Menschen viel
Von bessern künftigen Tagen,
Nach einem glücklichen goldenen Ziel
Sieht man sie rennen und jagen.
Die Welt wird alt und wird wieder jung,
Doch der Mensch hofft immer Verbesserung.

Die Hoffnung führt ihn ins Leben ein,
Sie umflattert den fröhlichen Knaben,
Den Jüngling locket ihr Zauberschein,
Sie wird mit dem Greis nicht begraben,
Denn beschließt er im Grabe den müden Lauf,
Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf.

Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn,
Erzeugt im Gehirne des Toren,
Im Herzen kündet es laut sich an:
Zu was Besserm sind wir geboren!
Und was die innere Stimme spricht,
Das täuscht die hoffende Seele nicht.


Friedrich Schiller


Montag, 24. Dezember 2012

O Hannebaum, o Hannebaum


     Meine Mutter behauptet, sie hätte mich als Kleinkind singen gehört, beseelt, atonal 
     und laut schmetternd, in der tiefen Gewißheit, dass dies ein Lied über mich sei: 
     O Hannebaum, o Hannebaum..., der restliche Text war verständlicherweise 
     unwesentlich. Man muß sich dazu eine angeborene Bassstimme vorstellen, 
     Folge eines nichtschließenden Kehlkopfes, blonde Locken, blaue Augen 
     und beträchtliche Mengen Babyfett. 
     Heute habe ich und meine allerliebste Nichte einen eben solchen Baum geschmückt, 
     oder, besser gesagt, wir haben uns bemüht, ihn zu schmücken. Der Baum ist schön, 
     nicht zu groß, aber fett und mit vielen zum Behängen geeigneten kleinen Ästen.
     16.30 Uhr: Die Lieblingsnichte und ich erreichen das Haus, die Strassen sind glatt 
     wie Babyärsche und nur ein Taxi hat uns vor dem gewissen Bein-, Arm, 
     Steissbruch bewahrt. Der Fahrer war Spanier und dort gibt es die Geschenke erst am 
     6. Januar, aber seine Frau ist Berlinerin, da machen sie eben halbe halbe.
     16.40 Uhr: In völliger Negierung der Tatsachen, spiele ich die coole Tante und schlage 
     der zauberhaften Nichte Kika-Gucken während des Schmückvorganges vor , 
     mit dem Ergebnis, dass diese beste aller Nichten, wie nicht anders zu erwarten, 
     ich hätte es aus eigener Erfahrung wissen können, in hypnotischer Faszination 
     auf den Apparat starrt und nur wenn sehr laut angesprochen, hin und wieder, 
     eine Kugel an den noch fast nackten Baum hängt.
     17.00 Uhr: Ein Drittel ist geschafft, das Verhältnis zur Zauber-Nichte ist 
     angespannt,plötzlich, aber in Zeitlupe, beginnt der Baum seinen Winkel 
     zur Oberfläche des Wohnzimmerbodens zu verändern, er fällt um. 
     17.00.01: Ich fange den Baum in letzter Sekunde auf.
     17.00.02: Der Baum wird nunmehr durch die Kraft meines rechten Armes 
     aufrecht gehalten, die beiden anderen anwesenden Personen, Mutter (82) und 
     Nichte (8), können nur zuarbeiten, aber nicht retten. Der antelefonierte 
     Schwager befindet sich im Mediamarkt, aber verspricht, sich zu beeilen. 
     Zigaretten werden gereicht, Kaffee wird gekocht, zersplitterte Kugeln 
     werden aufgefegt.
     17.01 bis 17.45 Uhr:  Hanne, bzw. Johanna hält den Baum fest. Aua!
     17.45 Uhr: Ankunft des Schwagers, Männer sind so nützlich und stark, 
     er hebt den Wackelbaum, rüttelt, tut irgendwelche männlich geheimen Dinge, 
     bindet den Baum an der Heizung fest und - der Baum steht! Allerdings sind 
     vier Ketten mit Lichtern nunmehr völlig verhaspelt und verwickelt und müssen 
     also neu verlegt werden.
     17.55 bis 19.30 Uhr: Lichterketten werden entknotet.
     19.35 Uhr: Schwager und Nichte verlassen das Haus, die Schatzkind-Nichte muß 
     morgen um 6.00 Uhr aufstehen, um Huskies (Hunde aus der Arktis mit 
     sehr blauen Augen) zu besuchen, das perfekte Weihnachtsgeschenk einer 
     anderen Tante.
     19.40 Uhr bis 22.30 Uhr: Tante Hanna schmückt den Baum nun allein. 
     Das gesteckte Ziel ist es, das ursprüngliche natürliche Aussehen, der zu 
     unserem Fest gemordeten Pflanze, völlig zu verdecken. Rote, goldene 
     und silberne Kugeln, Strohsterne und -engel, alles was 50 Jahre Zufall und 
     Neigung an Dekorationsstücken herbeigeschwemmt hat und dann, zum krönenden 
     Ende, eine Abschlussgarnitur von siberne Lametta-Ketten verwandeln den 
     Tannenbaum in eine, vieleicht objektiv betrachtet geschmackloses, aber für 
     meine Familie weihnachtstaugliches und freudeerregendes Glitzermonstrum.

     I love Weihnachten. And a very happy Christmas to all of you!


     Wiki sagt:

     O Tannenbaum geht auf den Text des von Melchior Franck verfassten 
     schlesischen Volksliedes Ach Tannenbaum aus dem 16. Jahrhundert zurück. 
     Georg Büchmann gibt in seinen Geflügelten Worten mit dem Lied Es hing ein 
     Stallknecht seinen Zaum eine noch ältere Quelle an. In diesem Lied war bereits 
     zwischen 1550 und 1580 die folgende Strophe enthalten:
     O Tanne, du bist ein edler Zweig
     Du grünest Winter und die liebe Sommerzeit 
     Wenn alle Bäume dürre sein 
     So grünest du, edles Tannenbäumele
     Zum Weihnachtslied wurde es erst, nachdem der Leipziger Lehrer Ernst 
     Anschütz (1780–1861), unter Beibehaltung von Zarnacks erster Strophe, 1824 die 
     heute bekannten Verse zwei und drei hinzufügte. In denen ist nur noch vom Baum 
     die Rede. Das Aufstellen von Tannen als Weihnachtsbäume war inzwischen ein 
     Brauch zum Fest geworden. Die zweite Zeile des Liedes hieß ursprünglich 
    „Wie treu sind deine Blätter“, da das Liebeslied einen Kontrast zwischen der Treue 
     des  Baumes und der Untreue der Geliebten bildete. Auch in Anschütz’ Weihnachtslied 
     blieb das zuerst unverändert, jedoch wurde der Text „Wie grün sind deine Blätter“ im 
     20. Jahrhundert besser bekannt.Die Melodie ist eine seit dem 16. Jahrhundert 
     bekannte Volksweise, die unter anderem als Es lebe hoch der Zimmermanns-
     geselle schon vor 1799 gesungen wurde und ebenfalls als Studentenlied 
     Lauriger Horatius populär war.Wegen der Bekanntheit des Liedes und der 
     relativen Einfachheit der Melodie wurden oft andere Texte zu der Melodie
     gedichtet. Bekannt wurde zum Beispiel nach der Abdankung von Kaiser Wilhelm II. 
     1918 eine Version mit Zeilen wie „O Tannenbaum … der Kaiser hat in’ Sack 
     gehaun“ oder die Schülervariante „O Tannenbaum … der Lehrer hat mich blau 
     gehaun …“. Von O Tannenbaum existieren Liedtexte in vielen anderen Sprachen. 
     Ein Lied der Internationalen Arbeiterbewegung namens Die Rote Fahne, die seit 
    1939 offizielle Hymne des amerikanischen Bundesstaates Maryland, Maryland, 
     My Maryland und das Sinnbildslied von Nankai-Gymnasium und -Universität 
     (Tianjin, VR China) verwenden diese Melodie. Der Fangesang „We’ll keep the blue 
     flag flying high“ des englischen Fußballvereins FC Chelsea wird zu dieser 
     Melodie gesungen. 

Samstag, 22. Dezember 2012

Apocalypse not just now


Gestern ist die Welt zum wiederholten Male, trotz Vorankündigung, nicht untergegangen. 

Von dem Tage aber und von der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater. (NT Matthäus)

Es ist merkwürdig: wir wissen, dass wir alle demnächst sterben werden, nicht mit genauer Datumsangabe und Uhrzeit, aber dafür mit Garantie, und wir wissen, dass Leben auch danach gelebt werden wird, nur eben unseres nicht. Wir lesen, dass das Universum, wenn denn nicht unendlich, so doch ziemlich sehr groß ist und wir nur der Krümel eines Krümels eines unermeßlichen Kuchens sind. Aber dieses Wissen erreicht uns nur partiell. Wir studieren Geschichte und stellen Vergleiche an, wir bedenken das Schicksal der Generationen nach uns, hoffen für unsere Kinder, Neffen, Nichten - Natürlich tun wir das. 
Aber tief drinnen oder unten, im alleregozentrischsten Zentrum unseres Egos sitzt die Gewissheit, dass es gar keine Welt ohne uns geben kann. 
Ich bin das Alpha und Omega, der Beginn und das Ende und das Zentrum sowieso. Nur meinethalben existiert die Welt. Ohne mich geht nix. Und wozu Wind, wenn er nicht mich umweht? Warum der Aufwand, wenn ich nicht da bin ihn entgegenzunehmen?
Also müssen wir dabei gewesen sein, wenn die ganze Menschheit untergeht. Das Weltende muß in unserer Lebenszeit stattfinden. Nie waren die Zeiten schlimmer, reifer zu enden, oder? Und so sieht es, fühlt es, weiß es jede Generation. 
Früher war alles besser, heißt ja auch, heute ist alles schlechter. Ich befürchte dagegen, dass der Grad der Schlechtigkeit sich in etwa gleich bleibt, Methoden mögen sich ändern, die Menge der möglichen Täter ist heute größer, aber nur absolut, nicht relativ gesehen. Und ich bin mir sicher, dass meine Anwesenheit keine entscheidende Rolle in unserer Reise in Richtung Weltuntergang spielen wird. Und die Apokalypse kommt, das ist gewiss, denn wenn wir auch allen gedachten und noch nicht erahnbaren Szenarien entgehen würden, Erderwärmung, Meteoriteneinschlag, endgültiger Krieg, Seuchen, Unfruchtbarkeit etc., wird doch unser Planet irgendwann den Weg aller Planeten gehen. Und dann heißt es: "Mitgefangen ist mitgehangen" oder wir machen uns auf zum langen Treck auf der Suche nach neuer Unterkunft.



Die hohlen Männer
 
I

Wir sind die hohlen Männer
Die Ausgestopften
Aufeinandergestützt
Stroh im Schädel. Ach,
Unsere dürren Stimmen,
Leis und sinnlos
Wispern sie miteinander
Wie Wind im trockenen Gras
Oder Rattenfüße über Scherben
In unserem trockenem Keller

Gestalt formlos, Schatten farblos,
Gelähmte Kraft, reglose Geste;
Die hinüber sind, sehenden Auges,
 Ins andere Reich des Todes,
Wenn sie an uns denken, denken sie nicht
An gewalttätige verlorene Seelen,
sondern an hohle Männer,
An Ausgestopfte.

II

Augen deren Blick ich fürchte,
Die nicht erscheinen
Im Traumreich des Todes :
Dort sind die Augen
Sonnenlicht auf Säulentrümmern
Dort, ein Baum der sich wiegt
Und Stimmen sind
Im Gesang des Winds
Ferner und feierlicher
Als verblassender Stern

So fern will auch ich sein
Im Traumreich des Todes
Ich will auch so
Vorsätzliche Masken wählen
Rattenfell, Krähenhaut, Vogelscheuche
Auf einem Feld,
Die tut, was der Wind will,
So fern -

Nicht die endgültige Begegnung
Im Reich des Zwielichts
 
III

Dies ist das tote Land
Das ist das Kaktusland
Hier sind aufgerichtet
Die steinernen Bilder, zu denen
Betet die Hand eines Toten, darüber
Funkelt ein verblassender Stern.

Ob es so ist
In den anderen Todesreich
Ob Lippen wachen, mit sich allein,
Zur Stunde da wir beben
Vor Zärtlichkeit,
Lippen die küssen möchten
Und beten zu zerbrochnem Stein.
 
IV

Die Augen sind nicht hier
Hier sind keine Augen mehr
In diesem Tal da Sterne sterben
In diesem Hohlweg
Dem Stück Kinnbacken zu unseren verlorenen Reichen

Auf diesen letzten Sammelplatz
Tasten wir nach dem andern
Sprachlos geschart
Am Ufer des reißenden Stroms

Blind, es erschien denn
Die Augen wieder
Wie der lebende Stern
Die vielblättrige Rose
Des zwielichtigen Totenreiches,
Niemandes Hoffnung,
Hoffnung der leeren Männer.

V

Wir tanzen um den Stachelbaum
Stachelbaum Stachelbaum
Wir tanzen um den Stachelbaum
Um fünf Uhr früh am Morgen

Zwischen Idee
Und Wirklichkeit
Zwischen Regung
Und Tat
Fällt der Schatten

Denn Dein ist das Reich

Zwischen Empfängnis
Und Geburt
Zwischen Gefühl
Und Erwiderung
Fällt der Schatten

Das Leben ist lang

Zwischen Verlangen
Und Zuckung
Zwischen Vermögen
Und Leibhaftigkeit
Zwischen Wesen
Und Abstieg
Fällt der Schatten

Denn Dein ist das Reich

Denn dein ist
Das Leben ist
Denn dein ist das

Auf diese Art geht die Welt zugrund
Auf diese Art geht die Welt zugrund
Auf diese Art geht die Welt zugrund
Nicht mit einem Knall, aber mit Gewimmer.

T.S. Elliot übersetzt von Hanns Magnus Enzensberger



Man kann das Böse leugnen, aber nicht den Schmerz; nur der Verstand kann Gott beweisen, das Gefühl empört sich dagegen. Merke dir es, Anaxagoras: warum leide ich? Das ist der Fels des Atheismus. Das leiseste Zucken des Schmerzes, und rege es sich nur in einem Atom, macht einen Riß in der Schöpfung von oben bis unten. 
Georg Büchner Dantons Tod

Von den Zeiten und Stunden aber, liebe Brüder, ist es nicht nötig, euch zu schreiben; denn ihr selbst wißt genau, daß der Tag des Herrn kommen wird wie ein Dieb in der Nacht. Wenn sie sagen werden: Es ist Friede, es hat keine Gefahr -, dann wird sie das Verderben schnell überfallen wie die Wehen eine schwangere Frau... Thessalonicher 5,1-5 

Winterwind - e.e. cummings





 
ordinary wind is winding(cold face blush
wind is winding here there tomorrow)(
graceful dove wind
theatrical scar wind
thunderclapclapclap(clapclapstrike)
struckwinding wind 


gewöhnlicher wind windet(kaltes gesicht röte
wind windet hier da immer)(
anmutiger tauben wind
theatralischer narben wind
donnerschlagschlag(schlagschlagtreffer)
schlagwindender wind

e.e. cummings 
  

Freitag, 21. Dezember 2012

Jesus liebt mich - eine gaaanz süüüße Komödie


Ein zuckersüßer Film, so süß, wie dieser Zuckerersatz aus Südamerika - Stevia, wenn man noch nicht weiß, wie man das Zeugs portioniert.
Ich habe mal, den Mund voll grüner Limonade, plötzlich lachen müssen, als ein Freund einen Witz machte. Gestern Abend, nach Verlassen des Kinos, habe ich mich in etwa so gefühlt, wie die Leute, auf die ich damals den grün-zuckrig-klebrigen Saft geprustet habe.
Iiiih, baba! Duschen und einen Splatter-Horrorfilm anschauen, ist das Mindeste, was man danach braucht. 
Selbst Henry Hübchen, von mir geliebt und verehrt, ist niedlich und neckisch, inclusive gerippter Unterwäsche.
Mehr fällt mir hierzu einfach nicht ein. Iiiih, baba!



Joseph und Maria - Eine anstrengende Reise


    
EINE ANSTRENGENDE REISE

   Maria ist bereits hochschwanger, als die Ankündigung einer Volkszählung oder 
   Schätzung ins Haus flattert. Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem 
   Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung 
   war die allererste und geschah zu der Zeit, da Cyrenius Landpfleger in Syrien war. 
   (NT Lukas) Das war vermutlich im Jahr 6 unserer Zeitrechnung bzw. nach Christi 
   Geburt und Herodes war eigentlich bereits tot, aber dies nur nebenbei.
   
   Marias Gatte Joseph, ein Baumeister, stammte aus Bethlehem und so, behauptet 
   die Bibel, mussten die beiden sofort dorthin reisen, um sich bürokratisch erfassen 
   zu lassen. Allerdings wird dieser Vorgang nirgendwo wieder erwähnt, also war es 
   doch wohl nur, um den Ablauf der Geschichte an die Prophezeiung anzupassen, 
   und du, Betlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll 
   mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von 
   Ewigkeit her gewesen ist. (AT Prophet Micha) In Bethlehem war rund eintausend
   Jahre vorher auch König David geboren worden und Jesus sollte ja aus dem Stamme
   Davids sprießen, was wenig Sinn macht, wenn man bedenkt, dass Maria doch von Gott
   via Heiligem Geist geschwängert worden war. Aber doppelt hält halt besser. Ach ja,
   Maria war übrigens auch aus dem Hause Davids.
   Da machte sich auch auf Joseph aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das 
   jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum daß er von 
   dem Hause und Geschlechte Davids war, auf daß er sich schätzen ließe 
   mit Maria, seinem vertrauten Weibe, die war schwanger. (NT Lukas) 

   Von Nazareth nahe Jerusalem in Judäa, Richtung Süden nach Bethlehem in Galiläa, 
   das sind circa 160 Kilometer, je nach Route kann es auch weiter sein - reitet Maria
   auf einem Esel im neunten Monat bei Hitze. Manche Quellen behaupten Joseph wäre 
   bereits achtzig Jahre alt gewesen und er mußte laufen. Drei, vier Tage nehme ich 
   an, wird es  schon gedauert haben. Also sind sie wohl so um den 21. rum losgelaufen.
   Dann Suche nach einer Unterkunft, der bekannte Stall wird bezogen und:  
   Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, da sie gebären sollte. (ebenda)

Geburt Christi

Hättest du der Einfalt nicht, wie sollte
dir geschehn, was jetzt die Nacht erhellt?
Sieh, der Gott, der über Völkern grollte,
macht sich mild und kommt in dir zur Welt.

Hast du dir ihn größer vorgestellt?

Was ist Größe? Quer durch alle Maße,
die er durchstreicht, geht sein grades Los.
Selbst ein Stern hat keine solche Straße.
Siehst du, diese Könige sind groß,

und sie schleppen dir vor deinen Schooß

Schätze, die sie für die größten halten,
und du staunst vielleicht bei dieser Gift -:
aber schau in deines Tuches Falten,
wie er jetzt schon alles übertrifft.

Aller Amber, den man weit verschifft,

jeder Goldschmuck und das Luftgewürze,
das sich trübend in die Sinne streut:
alles dieses war von rascher Kürze,
und am Ende hat man es bereut.

Aber (du wirst sehen): Er erfreut.

Rainer Maria Rilke 

Währenddessen ließ der panische Herodes die Babies in Bethlehem abschlachten,
   die drei Heiligen Könige - Caspar, Melchior und Balthasar hasteten dem Paar nach und
   ein neuer Stern erschien am Himmel. Dann: A star was born. Schäfer, Engel, "Fürchtet
   euch nicht", Anbetung, Geschenke - und sofort ging es zurück nach Judäa, aber 
   unterwegs erreichte sie die Warnung, sich zu Hause lieber nicht blicken zu lassen, 
   Herodes trachtete dem Kind weiterhin nach dem Leben, also Reiserichtungs-
   änderung nach Ägypten, das sind wieder mindestens 200 oder 300 Kilometer, 
   abhängig davon wo genau sie in Ägypten hingingen - nach apokryphen Quellen 
   zogen sie mit ihrem Kleinkind ruhelos von einer Stadt zur anderen und überall, 
   wo sie hinkamen geschahen Wunder, heidnische Götzenbilder fielen um und 
   ähnliches, also immer weiter in die nächste Stadt.



Die sieben Schmerzen Mariä, Mitteltafel, 
Die Flucht nach Ägypten 
Albrecht Dürer 1494/97

   Ungefähr zwei oder fünf oder sieben Jahre blieben sie in der Emigration, dann kam die
   Nachricht vom Tode des Herodes und sie konnten wieder nach Hause.
   Und er war dort bis zum Tod des Herodes; damit erfüllt würde, was von dem 
   Herrn geredet ist durch den Propheten, der spricht: „Aus Ägypten habe ich 
   meinen Sohn gerufen. (NT Matthäus)