Donnerstag, 26. Februar 2015

Theater ist herzzerreißend - Rostock


 Rostock, den 25.02.2015

Aber dieses ganze Mahagonny 
war, weil alles so schlecht ist, 
weil keine Ruhe herrscht und keine Eintracht
und weil es nichts gibt,
woran man sich halten kann.

"Mahagonny" hatte heute seine Zweite Hauptprobe. 

Zeitgleich wurde in der Rostocker Bürgerschaft über rabiate, ja tödliche Eingriffe in die Struktur des Rostocker Theaters abgestimmt. 

Der erste Durchlauf mit Orchester, Bühne, Kostüm, Licht & Stimme, nachdem ich, als immer wieder verblüffter Schauspielregisseur, gestern in der Ersten Komplettprobe mit Klavier meinen Darstellern beim "stummen" Singen zuschauen durfte. Ein auch beim x-ten Mal höchst eigenartiges Erlebnis. 

Wiki beschreibt die kostbaren und also zu schützenden Körperteile folgendermaßen: Die Stimmlippen (auch: Stimmfalten, lat. plica vocalis) sind paarige schwingungsfähige Strukturen im Kehlkopf. Sie sind ein wesentlicher Teil des stimmbildenden Apparates (Glottis) des Kehlkopfes, bestehend aus der von Epithel überzogenen Stimmfalte, dem eigentlichen Stimmband (Ligamentum vocale), dem Musculus vocalis und den Aryknorpeln jeweils beider Seiten. Die Stimmlippen werden beidseits bei der Phonation (Stimmgebung) durch Anblasen aus dem Brustkorb in Schwingungen versetzt (Bernoulli-Effekt) und bilden so den Primärschall der Stimme... Wenn eine Opernsängerin einen besonders hohen Ton anstimmt, öffnen und schließen sich die Stimmlippen öfter als 1000 Mal in der Sekunde.


Heute mit Kraft und Klang und Lust beginnt das schrille Ding, die Spiel-Oper ohne gemütliches, gewohntes Sentiment, doch mit politischem Zorn und bösem Witz und hoher Geschwindigkeit, zu leuchten, zu fiebern, zu vibrieren.

Die Solisten fangen an in ihren überdimensionierten Kostümen zu leben, der Chor wächst zum ebenbürtigen Gegenpart und die Tänzer, oh, die Tänzer, Mitspieler und Störenfriede, sind das Salz in der Suppe, der Haken an der Sache, die gute Irritation.

Hier eine ernsthafte Liebeserklärung an eine der besten Tanzcompagnies, denen ich je begegnet bin. Ihr seid besonders und großartig!

Wir kommen durchs Stück - eine kurze Pause - dann Korrekturen. 
10 Minuten, oder zwei Zigaretten auf der zugigen Kantinenterasse.
10 Minuten, und - ich treffe auf ein Ensemble in Tränen.

Die Entscheidung der Bürgerschaft ist gefallen, 26 zu 21, und wenn auch die Formulierungen verschwiemelt verheimlichen wollen, wissen nun alle, zwei Sparten werden vernichtet, das Musiktheater und der Tanz.

Bürgerschaft beschließt strukturelle Änderungen / Musik- und Tanztheater verlieren Eigenständigkeit / Neubau beschlossen
neues deutschland


Die Rostocker Bürgerschaft hat am Mittwoch einem Kooperationsmodell für das Rostocker Theater zugestimmt. 26 Abgeordnete von CDU, SPD, Grünen, FDP und "Für Rostock" votierten für das sogenannte "Funktionelle Vier-Sparten-Theater", 21 Abgeordnete dagegen, zwei enthielten sich. Der 2+2-Vorschlag sieht vor, Schauspiel und Konzertwesen als eigenständig zu erhalten. Musik- und Tanztheater sollen allerdings mit anderen Bühnen kooperieren.
ndr.de

... Schauspiel und Konzertwesen arbeiten darin eigenständig, Musik- und Tanztheater sollen allerdings mit anderen Bühnen kooperieren. Betriebsbedingte Kündigungen werden zunächst ausgeschlossen. Sie seien aber möglich, wenn betroffene Mitarbeiter alternative Angebote ablehnen.

svz.de 


Die Tränen sind getrocknet worden, wir haben weiterprobiert, die Premiere ist ausverkauft.

Die Oper "Mahagonny" endet in einer anarchischen Demonstration, irgendwo/nirgendwo zwischen Pegida, Occupy - wir werden unsere eigenen Schlachtrufe erfinden müssen.

Vor vielen Jahren habe ich für eine Rostocker Zeitung folgenden Text geschrieben, er trifft, leider - heute - hier - jetzt.

„Jetzt kommt und seht, wie es ihm dreckig geht
Jetzt ist er wirklich, was man pleite nennt.
Die ihr als oberste Autorität
Nur eure schmierigen Gelder anerkennt
Seht, daß er euch nicht in die Grube fährt!"
b.b.

In den letzten Wochen mußte ich nahezu täglich die widersprüchlichsten Meldungen über den Ort an dem ich arbeite lesen. „ Besucherzahlen- und Einnahmesteigerungen“; „Theaterneubau“; „Theaterneubau, aber kein Theaterensemble“; „Theaterensemble schon, aber nur für musikalische Produktionen“; „Kein Ensemble, nur die Philharmonie“.
Da ich nun mal einer derjenigen bin, die da unentwegt und in beschwingtem Tone zum Tode verurteilt werden sollen, hier mein wütender Protest:
Im Juli habe ich mit vielleicht 2000 anderen eine wunderbare Sommernachtstraumaufführung  des Volkstheater - Schauspielensembles auf der Freilichtbühne der IGA gesehen. Ist es euch egal, wenn ihr Shakespeare künftig nur noch in Hollywoodfilmform oder als tourneekompatible Billigproduktion sehen werdet?
Im letzten Winter haben hunderte Kinder den „Gestiefelten Kater“ bejubelt. Ist es euch egal, wenn sie dann wieder doch nur Fernsehen gucken können?
Im „Raub der Sabinerinnen“ habe ich Besucher so lachen gesehen, daß ihnen die Tränen über das Gesicht liefen und sie hatten nach einem Abend, prallgefüllt mit Schauspiellust und Schauspielkunst beim Verlassen des Theaters, die beseelten und heiteren Gesichter von beglückten Menschen.  Ja, ja, ich weiß, daß ist nur Komödie, aber ist es euch egal, ob es diesen Ort gibt, an dem ihr gemeinsam mit anderen und nicht nur über andere lachen könnt?
200 sechzehnjährige Schüler im „Urfaust“: „ Man, das Ist aber eine blöde Sprache“, Gekicher, Geraune, Geflüster und dann: „Der Mephisto ist aber cool!“„ Das Unglück vom Gretchen über die verlorene Liebe und das tote Kind kann ich verstehen.“ Da sind sie ganz aufmerksam und begreifen ganz viel und gelegentlich fließt auch eine Träne. Ist es euch egal, ob eure Kinder schöne Sprache klug gesprochen nirgendwo mehr hören können?
Ihr alle habt euch als Kinder mühelos in Prinzessinnen, Piraten und Indianer verwandeln können. Später ist dafür keine Zeit und es kommt einem wie so manches andere Kostbare abhanden und leider werden oft auch die Träume vernünftiger und kleiner, „man muß ja realistisch bleiben“. Wir Spieler sind berufsmäßige Träumer und Albträumer, allerdings hart arbeitende und nicht gerade überbezahlt. Ich habe es satt, daß über uns gesprochen und geschrieben und leider auch entschieden wird von Leuten, die keinen Traum haben (, als den, kein Risiko einzugehen). Wir sind nötige und nützliche Mitglieder dieser Stadtgemeinschaft, darauf bestehe ich, was nicht heißt, daß wir nicht noch besser werden sollten und können. Und wer da aus Kurzsichtigkeit, oder Pragmatismus, oder blanker Dummheit über uns die Todesstrafe verhängt, der muß auch wissen, daß er etwas Wunderbares tötet. Ist es euch egal?
Man könnte auch hintenran ein weiteres Zitat des obengenannten Dichters setzten.

„Man schlage ihnen ihre Fressen
Mit schweren Eisenhämmern ein.
Im übrigen will ich vergessen
Und bitte sie mir zu verzeihn."

Francisco Goya 
Saturn frißt seine Kinder
zwischen 1819 und 1823

Mit enthusiastischem und wütendem Gruß, Johanna Schall!

 


Sonntag, 22. Februar 2015

Wie ein Schwert durchs Herz der Nacht - Rilke übersetzt Jacobsen


 
Arabeske.
Zu einer Handzeichnung von Michelangelo
Frauenprofil mit gesenktem Blick in den Uffizien


Griff die Woge Land?
Griff sie Land und versickerte langsam
rollend mit den Perlen des Kieses
wieder hinaus in der Wogen Welt?
Nein. Steil steigend wie ein Streitroß
hob sie hoch ihre nasse Brust.
Durch die Mähne sprühte Schaum hin,
schneeweiß wie ein Schwanenrücken.
Strahlender Staub und regenbogiger Nebel
zitterten auf durch die Luft:
und ihn verwerfend
und teilend
flog sie, breit, auf Schwanenschwingen
in der Sonne weißes Licht.

Ich kenn deinen Flug, du fliegende Woge.
Aber der goldne Tag wird sinken,
wird, in der Nacht dunklen Mantel geschlagen,
müde sich legen zu Ruh.
Tau wird glitzern in seinem Hauch,
die Blumen zu sein rings um sein Lager,
eh du dein Ziel noch erreichst.

--- Und bist du heran an das goldene Gitter
und streifst leis, ausspannend den Flug,
hin über die breiten Gänge des Gartens,
hin über Wogen von Lorbeer und Myrten,
über der Magnolien dunkle Krone,
unter dem Nachschaun ihrer hellen, ruhig-scheinenden,
unter dem Nachschaun ihrer starrenden Blumenaugen,
niedriger hin über verschwiegen flüsternde Iris,
getragen, gewiegt in erleichtert weinende Träume
von der Geranien Duft,
von der Tuberosen und des Jasmins schweratmendem Duft,
getragen heran an die weiße Villa
mit den mondhellen Scheiben,
mit ihrer Wache von hohen dunklen,
hohen treuen Zypressen:
so vergehst du in der Ahnungen Angst,
brennst auf in deiner bebenden Sehnsucht,
gleitest weiter wie ein Luftstrich vom Meer,
und du stirbst in der Weinranken Laub,
rauschendem Laub von Weinranken
am marmornen Rand des Balkons.
Während die kalte Seide der Balkongardine
langsam sich in schweren Falten schaukelt,
und die goldnen Traubenbüschel
aus den angstvoll bösen Ranken
fallen in des Gartens Gras.

Glühende Nacht.
Langsam brennst du hin über die Erde.
Der Träume seltsam wechselnder Qualm
wallt und wirbelt auf deiner Spur dir nach,
glühende Nacht.
Die Willen sind Wachs in deiner weichen Hand,
und Treue biegt wie Schilf in deinem Wehen,
und was ist Einsicht, lehnt sie sich an dich,
und was ist Unschuld unter deinem Blick,
der zwar nichts sieht, doch wild den roten Strom
in allen Adern so zur Sturmflut ansaugt,
wie es der Mond tut mit des Meeres Wassern.
---Glühende Nacht.
Gewaltige blinde Mänade.
Her durch das Dunkel blitzen und schäumen
seltsame Wellen von seltsamem Laut,
Anklingen von Bechern
und des Stahls hurtiger singender Klang,
austropfendes Blut und Röcheln von Blutenden
und das schwere Brüllen des Wahnsinns vermischt
mit dem heiseren Schrei purpurroter Begier.
--Aber der Seufzer, glühende Nacht?
der Seufzer, der anschwillt und stirbt,
stirbt, um neu zu erstehn,
der Seufzer, du glühende Nacht!

Sieh, die seidne Welle der Gardine teilt sich,
eine Frau, hoch und herrlich,
hebt sich dunkel von der dunklen Luft ab.
-- Heiliges Leid in deinem Blick,
Leid, das Hilfe nicht kennt,
hoffnungsloses
brennendes, zweifelndes Leid.
-----Nächte und Tage schwirren über die Erde.
Jahreszeiten wechseln wie Farben und Wangen,
Geschlecht auf Geschlecht in langen dunklen Wogen
rollt über die Erde,
rollt und vergeht,
indes die Zeit langsam stirbt.
Wozu das Leben?
Wozu der Tod?
Wozu leben, wenn wir doch sterben sollen?
Wozu kämpfen, wissend, daß das Schwert
dennoch uns entwunden wird einmal?
Dieser Scheiterhaufen von Qual, wozu?
Tausend Stunden Lebens langsam leidend,
langsam ausgehn in des Todes Leiden.

Ist dies dein Gedanke, hohe Frau?

Ruhig stumm steht sie auf dem Balkone,
hat kein Wort, kein Seufzen, keine Klage,
hebt sich dunkel von der dunklen Luft ab
wie ein Schwert durchs Herz der Nacht.

J.P. Jacobsen übersetzt von Rainer Maria Rilke
 

Arabesk. 
Til en Haandtegning af Michel Angelo.
(Kvindeprofil med sænkede Blikke i Gangen mellem Pitti og Ufficierne)


Tog Bølgen Land?
Tog den Land og sived langsomt,
Rallende med Grusets Perler,
Atter ud i Bølgers Verden?
Nej! den stejled som en Ganger,
Løfted højt sin vaade Bringe;
Gjennem Manken gnistred' Skummet
Snehvidt som en Svanes Ryg.
Straalestøv og Regnbu'taage
Sitred op igjennem Luften:
Ham den kasted',
Ham den skifted',
Fløj paa brede Svanevinger
Gjennem Solens hvide Lys.

Jeg kjender din Flugt, du flyvende Bølge;
Men den gyldne Dag vil segne,
Vil, svøbt i Nattens dunkle Kappe,
Lægge sig træt til Hvile,
Og Duggen vil glimte i hans Aande,
Blomsterne lukke sig om hans leje,
Før du naa'r dit Maal.

— Og har du naa't det gyldne Gitter
Og stryger tyst paa spredte Vinger
Henover Havens brede Gange,
Henover Laurers og Myrthers Vover,
Over Magnoliens dunkle Krone,
Fulgt af dens lyse, roligt blinkende,
Fulgt af dens stirrende Blomsterøjne,
Nedover hemmeligt-hviskende Iris,
Baaret og dysset i graadmilde Drømme
Af Geraniernes Duft,
Af Tuberosers og Jasminers tungtaandende Duft

Baaret mod den hvide Villa
Med de maanelyse Ruder,
Med dens Vagt af høje, dunkle,
Høje, trolige Cypresser,
Da forgaar du i Anelsers Angst,
Brændes op af din skjælvende Længsel,
Glider frem som en Luftning fra Havet,
Og du dør mellem Vinrankens Løv,
Vinrankens susende Løv,
Paa Balkonens Marmortærskel,
Mens Balkongardinets kolde Silke
Langsomt vugger sig i tunge Folder,
Og de gyldne Drueklaser
Fra de angstfuldt-vredne Ranker
Fældes ned i Havens Græs.

Glødende Nat!
Langsomt brænder du henover Jorden;
Drømmenes sælsomt skiftende Røg
Flakker og hvirvles afsted i det Spor,
Glødende Nat!
— Viljer er Voks i din bløde Haand,
Og Troskab Siv kun for din Aandes Pust!
Og hvad er Klogskab lænet mod din Barm?
Og hvad er Uskyld daaret af dit Blik,
Det intet ser, men suger vildt
Til Stormflod Aarens røde Strøm,
Som Maanen suger Havets kolde Vande?
— Glødende Nat!
Vældige, blinde Mænade!
Frem gjennem Mulmet blinker og skummer
Sælsomme Bølger af sælsom Lyd:
Bægeres Klang,
Staalets hurtige, syngende Klang,
Blodets Dryppen og Blødendes Rallen
Og tykmælt Vanvids Brølen blandet
Med purpurrøde Attraas hæse Skrig ...
— Men Sukket, glødende Nat?
Sukket, der svulmer og dør,
Dør for at fødes paany,
Sukket, du glødende Nat!

Se, Gardinets Silkevover skilles,
Og en Kvinde høj og herlig
Tegner mørk sig mod den mørke Luft.
— Hellige Sorg i dit Blik,
Sorg, der ej kan hjælpes,
Haabløs Sorg,
Brændende, tvivlende Sorg.
— Nætter og Dage summer over Jorden,
Aarstider skifte som Farver paa Kind,
Slægter paa Slægt i lange, mørke Bølger
Rulle over Jord,
Rulle og forgaa,
Medens langsomt Tiden dør.
Hvorfor Livet?
Hvorfor Døden?
Hvorfor leve, naar vi dog skal dø?
Hvorfor kæmpe, naar vi veed, at Sværdet
Dog skal vristes af vor Haand en Gang?
Hvortil disse Baal af Kval og Smerte:
Tusind Timers Liv i langsom Liden,
Langsom Løben ud i Dødens Liden

Er det din tanke, høje Kvinde?

Tavs og rolig staar hun paa Balkonen,
Har ej Ord, ej Suk, ej Klage,
Tegner mørk sig mod den mørke Luft
Som et Sværd igjennem Nattens Hjærte.

J.P. Jacobsen



Rilke schreibt in sein Exemplar von 'Marie Grubbe' das Gedicht an 'Jens Peter Jacobsen'. Rilke besitzt den Band seit 1896 und sendet ihn am 18.10. 1900 als Geschenk an Paula Becker.
 
An Jens Peter Jacobsen

Er war ein einsamer Dichter,
ein blasser Mondpoet,
ein stiller Sturmverzichter,
vor dem die Sehnsucht lichter
als vor den Lauten geht.

Ein Weihen war sein Kranken.
Er sah versöhnt und ohne Gram,
wie früh ein Fremdes ihm die schlanken
Hände aus den Ranken
des Lebens lösen kam ... 
 

Freitag, 20. Februar 2015

Heiße Schokolade


Alles, was du brauchst, ist Liebe. Aber ein bisschen Schokolade hin und wieder tut auch nicht weh.
Charles M. Schulz


Manchmal, ganz manchmal, wenn ich so richtig, aber so richtig müde oder traurig bin, brauche ich ein Kindheitstrostmittel. Heiße Schokolade und Weißbrot mit gesalzener Butter.

Kurze Rückblende: Samstagabend, kein Elternteil hat Vorstellung, Kulenkampff ist vorbei, Das Wort zum Sonntag salbadert über den Schirm, die Mutter kocht Schokolade für den Spätfilm, ein alter schwarzweißer Western, ein Film noir oder, wenn auch selten, ein deutscher Filmklassiker. Das Fernsehen-West, hat zwei Sender und es gibt keine Fernbedienung. Unser Haushalt besitzt einen Fernseher! 

Wir haben die Strapazen nur überlebt, weil wir genug Schokolade dabei hatten.
Roald Amundsen

Die Zutaten sind ohne Mengenangaben, denn sie sind abhängig vom Grad der Müdigkeit, bzw. Traurigkeit und der "Süße des individuellen Zahnes".

Milch
Kakao
eine ganze Tafel Bitterschokolade, gerieben oder gestückelt
eine Prise Salz
etwas Nescafé
Vanillezucker
weißer Zucker nach Bedarf, aber weniger als üblich
Weißbrot
gekühlte Salzbutter
& eine große stabile unfeine Tasse

Rühren, rühren, rühren!!!
Die Pampe muß dick sein und bittersüß. 
Der Kontrast zum salzigkühlen Weißbrot ist phänomenal.

Nicht an Kalorien denken! Gar nicht denken.

 
Als Beilage ein Kitschfilm nach Wahl (oder ein bis drei oder fünf Teile einer Serienstaffel).

Was auch immer geschieht:
Nie dürft ihr so tief sinken,
von dem Kakao, durch den man euch zieht,
auch noch zu trinken!
Erich Kästner

Samstag, 14. Februar 2015

Friedrich Nietzsche - Die Krähen schrei'n und ziehen schwirren Flugs zur Stadt- Irrsinn!


Der Freigeist
Abschied

Die Krähen schrei'n
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnei'n –
Wohl dem, der jetzt noch – Heimat hat!

Nun stehst du starr,
Schaust rückwärts ach! wie lange schon!
Was bist du, Narr,
Vor Winters in die Welt – entflohn?

Die Welt – ein Tor
Zu tausend Wüsten stumm und kalt!
Wer Das verlor,
Was du verlorst, macht nirgends Halt.

Nun stehst du bleich,
Zur Winter-Wanderschaft verflucht,
Dem Rauche gleich,
Der stets nach kältern Himmeln sucht.

Flieg', Vogel, schnarr'
Dein Lied im Wüsten-Vogel-Ton! –
Versteck' du Narr,
Dein blutend Herz in Eis und Hohn!

Die Krähen schrei'n
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnei'n –
Weh dem, der keine Heimat hat! 

Friedrich Nietzsche



The Imitation Game - O Benedict!


Damit es gleich zu Beginn gesagt ist: ja, gegen Ende wird der Film pathetisch, sowohl in seiner persönlichen, wie auch in der nationalistischen Erzählung. 
Ersteres ist wohl gar nicht vermeidbar, wenn man, wie es dieser Film tut, auch wenn er nicht eins zu eins die historischen Fakten nacherzählt, wenn man sich also mit der wahrhaft tragischen Lebensgeschichte dieses Mannes, Alan Turing, ernsthaft beschäftigen will.

Siehe: http://johannaschall.blogspot.de/2012/12/der-vergiftete-apple.html?showComment=1423942219054#c1713173473587356792

Zweiteres ist ein Übel, dass ich ständig bemerke. 
Wer hat den nun verfluchten Zweiten Weltkrieg gewonnen? Wer war der Beste, der Opferbereiteste, der Siegreichste? Als ob sich die unsäglichen Leiden und Heldentaten der Vielen so einfach gegeneinander aufrechnen ließen. Die komplizierte Vorgeschichte dieses Massenschlachtens und die Geschwindigkeit und Absolutheit, in der aus den gemeinsam einen Feind Bekämpfenden wiederum selbst Feinde in einem kalten Krieg wurden, läßt offensichtlich wenig Abwägung, Gerechtigkeit und gegenseitige Achtung zu. In diesem Film sind es also die Codebrecher aus Bletchley-Park, die in Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Geheimdienst den Ausgang des Krieges bestimmen.
Aber diese Mäkelei betrifft nur das Ende.

Alan Turing

Bis dahin hatte ich eine ganz wunderbar merkwürdige und spannende und erschütternde Geschichte gesehen.

Wie schaffen die Briten es immer wieder, über Außenseiter, Spinner, Eigenbrötler zu erzählen, mit klarem Blick und Witz und Menschlichkeit, und dass ohne sie zur besseren Verdaulichkeit in warmherzige Kuscheltiere zu verwandeln? Warum sind die Dialoge so interessant, knapp und doch voller überraschender Nebenwege? Warum können sie mir die "Metaebene" sozusagen unterjubeln, anstatt sie, wie es sich im deutschen Film gehört, als dicke Paste über jeden Filmmeter schmieren? Warum sehen die Kostüme so glaubwürdig aus und die Masken? Turing trägt z. B. einen Pullunder, der ganz offensichtlich oft und ungeschickt gewaschen worden ist. Warum machen sie es mir so viel leichter, ganz unterschiedliche Figuren zu "mögen", dass heißt dass ich ihnen mit Zuneigung zusehen will?

Benedict Cumberbatch spielt Alan Turing. In der ersten Szene läuft er über einen vollen Bahnsteig und schon dieser Gang, zielgerichtet, doch nach innen konzentriert und Berührung mit anderen aus alter Gewohnheit vermeidend, ist großartig. Ja, ja, ich bin ein Fan, oder, wie die offizielle Bezeichnung heißt, eine Cumberbitch. Aber, auch ohne meine  
fangetrübten Augen, wird man einen sehr gut gespielten Film sehen! 
Selbst Keira Knightley, nach "Bend it like Beckham" eher für niedliche Flirrigkeit bekannt, als für Spielkunst, ist erstklassig!


Alan Turing:

Now, Detective, you get to judge. That’s how the game works. I answered your questions. You know my story. That’s the point of the game. We are all pretending to be something. Imitating something. Someone. And we are no more, and no less, than what we can convince other people that we are. So tell me: What am I? Am I a person? Am I a machine? Am I a war hero? Am I a criminal?

http://de.wikipedia.org/wiki/Turing-Test

http://de.wikipedia.org/wiki/Enigma_%28Maschine%29

Das Lied der Lieder






Poesie.

Ein Liebeslied? 
Ein erotisches Dialog-Gedicht.
Die Geschichte einer Vergewaltigung?
Ein Loblied auf die katholische Kirche??? 


Gemäß der allegorischen Auslegungsmethode wurde in Antike und Mittelalter 
von Juden und Christen die erotische Annäherung, von der das Gedicht handelt, 
als Beschreibung der Liebe zwischen Gott und seinem auserwählten Volk (im Judentum) 
bzw. zwischen Christus und der Kirche als Braut Christi (im Christentum) interpretiert.

 Wiki

Das Hohelied Salomos.
Schir ha-Schirim
Das Lied der Lieder.
 
Er küsse mich mit dem Kusse seines Mundes; denn deine Liebe ist lieblicher als Wein. 

Es riechen deine Salben köstlich; dein Name ist eine ausgeschüttete Salbe, 
darum lieben dich die Jungfrauen. Zieh mich dir nach, so laufen wir. 
Der König führte mich in seine Kammern. Wir freuen uns und sind fröhlich über dir; 
wir gedenken an deine Liebe mehr denn an den Wein. Die Frommen lieben dich.

Ich bin schwarz, aber gar lieblich, ihr Töchter Jerusalems, wie die Hütten Kedars, 
wie die Teppiche Salomos. Seht mich nicht an, daß ich so schwarz bin; 
denn die Sonne hat mich so verbrannt. Meiner Mutter Kinder zürnen mit mir. 
Sie haben mich zur Hüterin der Weinberge gesetzt; aber meinen eigenen Weinberg 
habe ich nicht behütet. Sage mir an, du, den meine Seele liebt, wo du weidest, 
wo du ruhest im Mittage, daß ich nicht hin und her gehen müsse bei den Herden deiner Gesellen. 
Weiß du es nicht, du schönste unter den Weibern, so gehe hinaus auf die Fußtapfen der Schafe 
und weide deine Zicklein bei den Hirtenhäusern. 
Ich vergleiche dich, meine Freundin, meinem Gespann an den Wagen Pharaos. 
Deine Backen stehen lieblich in den Kettchen und dein Hals in den Schnüren. 
Wir wollen dir goldene Kettchen machen mit silbernen Pünktlein. 
Da der König sich herwandte, gab meine Narde ihren Geruch. 
Mein Freund ist mir ein Büschel Myrrhen, das zwischen meinen Brüsten hanget. 
Mein Freund ist mir eine Traube von Zyperblumen in den Weinbergen zu Engedi. 
Siehe, meine Freundin, du bist schön; schön bist du, deine Augen sind wie Taubenaugen.  
Siehe, mein Freund, du bist schön und lieblich. 
Unser Bett grünt, unserer Häuser Balken sind Zedern, unser Getäfel Zypressen. 

Sehnsucht der Freundin nach dem Freund


Ich bin eine Blume zu Saron und eine Rose im Tal. 
Wie eine Rose unter den Dornen, so ist meine Freundin unter den Töchtern. 
Wie ein Apfelbaum unter den wilden Bäumen, so ist mein Freund unter den Söhnen. 
Ich sitze unter dem Schatten, des ich begehre, und seine Frucht ist meiner Kehle süß. 
Er führt mich in den Weinkeller, und die Liebe ist sein Panier über mir. 
Er erquickt mich mit Blumen und labt mich mit Äpfeln; denn ich bin krank vor Liebe. 
Seine Linke liegt unter meinem Haupte, und seine Rechte herzt mich. 
Ich beschwöre euch, ihr Töchter Jerusalems, bei den Rehen oder bei den Hinden Hirschkühen 
auf dem Felde, daß ihr meine Freundin nicht aufweckt noch regt, bis es ihr selbst gefällt. 
Da ist die Stimme meines Freundes! 
Siehe, er kommt und hüpft auf den Bergen und springt auf den Hügeln. 
Mein Freund ist gleich einem Reh oder jungen Hirsch. 
Siehe, er steht hinter unsrer Wand, sieht durchs Fenster und schaut durchs Gitter. 
Mein Freund antwortet und spricht zu mir: 
Stehe auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm her. 
Denn siehe, der Winter ist vergangen, der Regen ist weg und dahin; 
die Blumen sind hervorgekommen im Lande, 
der Lenz ist herbeigekommen, und die Turteltaube läßt sich hören in unserm Lande; 
der Feigenbaum hat Knoten gewonnen, die Weinstöcke haben Blüten gewonnen 
und geben ihren Geruch. 
Stehe auf, meine Freundin, und komm, meine Schöne, komm her! 
Meine Taube in den Felsklüften, in den Steinritzen, zeige mir deine Gestalt, 
laß mich hören deine Stimme; denn die Stimme ist süß, und deine Gestalt ist lieblich. 
Fanget uns die Füchse, die kleinen Füchse, 
die die Weinberge verderben; denn unsere Weinberge haben Blüten gewonnen. 
Mein Freund ist mein, und ich bin sein, der unter Rosen weidet. 
Bis der Tag kühl wird und die Schatten weichen, 
kehre um; werde wie ein Reh, mein Freund, 
oder wie ein junger Hirsch auf den Scheidebergen.

Treue der Freundin


Des Nachts auf meinem Lager suchte ich, den meine Seele liebt. 
Ich suchte; aber ich fand ihn nicht. 
Ich will aufstehen und in der Stadt umgehen auf den Gassen und Straßen und suchen, 
den meine Seele liebt. Ich suchte; aber ich fand ihn nicht. 
Es fanden mich die Wächter, die in der Stadt umgehen: 
"Habt ihr nicht gesehen, den meine Seele liebt?" 
Da ich ein wenig an ihnen vorüber war, da fand ich, den meine Seele liebt. 
Ich halte ihn und will ihn nicht lassen, bis ich ihn bringe in meiner Mutter Haus, 
in die Kammer der, die mich geboren hat. 
Ich beschwöre euch, ihr Töchter Jerusalems, bei den Rehen oder Hinden Hirschkühen 
auf dem Felde, daß ihr meine Freundin nicht aufweckt noch regt, bis es ihr selbst gefällt.

Herrlichkeit des Freundes


Wer ist die, die heraufgeht aus der Wüste wie ein gerader Rauch, wie ein Geräuch von Myrrhe, Weihrauch und allerlei Gewürzstaub des Krämers? 
Siehe, um das Bett Salomos her stehen sechzig Starke aus den Starken in Israel. 
Sie halten alle Schwerter und sind geschickt, zu streiten. 
Ein jeglicher hat sein Schwert an seiner Hüfte um des Schreckens willen in der Nacht. 
Der König Salomo ließ sich eine Sänfte machen von Holz aus Libanon. 
Ihre Säulen sind silbern, die Decke golden, der Sitz purpurn, und inwendig ist sie lieblich ausgeziert 
um der Töchter Jerusalems willen. 
Gehet heraus und schauet an, ihr Töchter Zions, 
den König Salomo in der Krone, damit ihn seine Mutter gekrönt hat am Tage seiner Hochzeit 
und am Tage der Freude seines Herzens.

Vorzüge der Freundin

Siehe, meine Freundin, du bist schön! siehe, schön bist du! 
Deine Augen sind wie Taubenaugen zwischen deinen Zöpfen. 
Dein Haar ist wie eine Herde Ziegen, die gelagert sind am Berge Gilead herab. 
Deine Zähne sind wie eine Herde Schafe mit bechnittener Wolle, die aus der Schwemme kommen, 
die allzumal Zwillinge haben, und es fehlt keiner unter ihnen. 
Deine Lippen sind wie eine scharlachfarbene Schnur und deine Rede lieblich. 
Deine Wangen sind wie der Ritz am Granatapfel zwischen deinen Zöpfen. 
Dein Hals ist wie der Turm Davids, mit Brustwehr gebaut, daran tausend Schilde hangen 
und allerlei Waffen der Starken. 
Deine zwei Brüste sind wie zwei junge Rehzwillinge, die unter den Rosen weiden. 
Bis der Tag kühl wird und die Schatten weichen, will ich zum Myrrhenberge gehen 
und zum Weihrauchhügel. 
Du bist allerdinge schön, meine Freundin, und ist kein Flecken an dir. 
Komm mit mir, meine Braut, vom Libanon, komm mit mir vom Libanon, 
tritt her von der Höhe Amana, von der Höhe Senir und Hermon, 
von den Wohnungen der Löwen, von den Bergen der Leoparden! 
Du hast mir das Herz genommen, meine Schwester, liebe Braut, 
mit deiner Augen einem und mit deiner Halsketten einer. 
Wie schön ist deine Liebe, meine Schwester, liebe Braut! 
Deine Liebe ist lieblicher denn Wein, und der Geruch deiner Salben übertrifft alle Würze. 
Deine Lippen, meine Braut, sind wie triefender Honigseim; Honig und Milch ist unter deiner Zunge, 
und deiner Kleider Geruch ist wie der Geruch des Libanon. 
Meine Schwester, liebe Braut, du bist ein verschlossener Garten, 
eine verschlossene Quelle, ein versiegelter Born. 
Deine Gewächse sind wie ein Lustgarten von Granatäpfeln mit edlen Früchten, 
Zyperblumen mit Narden, Narde und Safran, Kalmus und Zimt, 
mit allerlei Bäumen des Weihrauchs, Myrrhen und Aloe mit allen besten Würzen. 
Ein Gartenbrunnen bist du, ein Born lebendiger Wasser, die vom Libanon fließen. 
Stehe auf, Nordwind, und komm, Südwind, und wehe durch meinen Garten, 
daß seine Würzen triefen! 
Mein Freund komme in seinen Garten und esse von seinen edlen Früchten.
Ich bin gekommen, meine Schwester, liebe Braut, in meinen Garten. 

Ich habe meine Myrrhe samt meinen Würzen abgebrochen; 
ich habe meinen Seim samt meinem Honig gegessen; 
ich habe meinen Wein samt meiner Milch getrunken. 
Eßt, meine Lieben, und trinkt, 
meine Freunde, und werdet trunken!

Die Sehnsucht der Freundin 


Ich schlafe, aber mein Herz wacht. Da ist die Stimme meines Freundes, der anklopft: 
Tue mir auf, liebe Freundin, meine Schwester, meine Taube, meine Fromme! 
denn mein Haupt ist voll Tau und meine Locken voll Nachttropfen. 
Ich habe meinen Rock ausgezogen, wie soll ich ihn wieder anziehen? 
Ich habe meine Füße gewaschen, wie soll ich sie wieder besudeln? 
Aber mein Freund steckte seine Hand durchs Riegelloch, und mein Innerstes erzitterte davor. 
Da stand ich auf, daß ich meinem Freund auftäte; meine Hände troffen von Myrrhe 
und meine Finger von fließender Myrrhe an dem Riegel am Schloß. 
Und da ich meinem Freund aufgetan hatte, war er weg und hingegangen. 
Meine Seele war außer sich, als er redete. 
Ich suchte ihn, aber ich fand ihn nicht; ich rief, aber er antwortete mir nicht. 
Es fanden mich die Hüter, die in der Stadt umgehen; 
die schlugen mich wund; 
die Hüter auf der Mauer nahmen mir meinen Schleier. 
Ich beschwöre euch, ihr Töchter Jerusalems, 
findet ihr meinen Freund, so sagt ihm, 
daß ich vor Liebe krank liege. 
Was ist dein Freund vor andern Freunden, o du schönste unter den Weibern? 
Was ist dein Freund vor andern Freunden, daß du uns so beschworen hast? 
Mein Freund ist weiß und rot, auserkoren unter vielen Tausenden. 
Sein Haupt ist das feinste Gold. 
Seine Locken sind kraus, schwarz wie ein Rabe. 
Seine Augen sind wie Augen der Tauben an den Wasserbächen, mit Milch gewaschen 
und stehen in Fülle. Seine Backen sind wie Würzgärtlein, 
da Balsamkräuter wachsen. 
Seine Lippen sind wie Rosen, die von fließender Myrrhe triefen. 
Seine Hände sind wie goldene Ringe, voll Türkise. 
Sein Leib ist wie reines Elfenbein, 
mit Saphiren geschmückt. Seine Beine sind wie Marmelsäulen, 
gegründet auf goldenen Füßen. 
Seine Gestalt ist wie Libanon, auserwählt wie Zedern. 
Seine Kehle ist süß, und er ist ganz lieblich. 
Ein solcher ist mein Freund; mein Freund ist ein solcher, ihr Töchter Jerusalems!

Wo ist denn dein Freund hin gegangen, o du schönste unter den Weibern? 

Wo hat sich dein Freund hin gewandt? So wollen wir mit dir ihn suchen. 
Mein Freund ist hinabgegangen in seinen Garten, zu den Würzgärtlein, 
daß er weide in den Gärten und Rosen breche. 
Mein Freund ist mein, und ich bin sein, der unter den Rosen weidet.
 
Die Freude der Wiedervereinigung 


Du bist schön, meine Freundin, wie Thirza, lieblich wie Jerusalem, schrecklich wie Heerscharen.
Wende deine Augen von mir; denn sie verwirren mich. 
Deine Haare sind wie eine Herde Ziegen, die am Berge Gilead herab gelagert sind. 
Deine Zähne sind wie eine Herde Schafe, die aus der Schwemme kommen, 
die allzumal Zwillinge haben, und es fehlt keiner unter ihnen. 
Deine Wangen sind wie ein Ritz am Granatapfel zwischen deinen Zöpfen. 
Sechzig sind der Königinnen und achtzig der Kebsweiber, und der Jungfrauen ist keine Zahl. 
Aber eine ist meine Taube, meine Fromme, eine ist ihrer Mutter die Liebste 
und die Auserwählte ihrer Mutter. Da sie die Töchter sahen, priesen sie dieselbe selig; 
die Königinnen und Kebsweiber lobten sie. 
Wer ist, die hervorbricht wie die Morgenröte, 
schön wie der Mond, auserwählt wie die Sonne, schrecklich wie Heerscharen? 
Ich bin hinab in den Nußgarten gegangen, zu schauen die Sträuchlein am Bach, 
zu schauen, ob die Granatbäume blühten. 
Ich wußte nicht, daß meine Seele mich gesetzt hatte zu den Wagen Ammi-Nadibs.

Zwiegespräch des Freundes und der Freundin 


Kehre wieder, kehre wieder, o Sulamith! kehre wieder, kehre wieder, daß wir dich schauen! 
Was sehet ihr an Sulamith? Den Reigen zu Mahanaim. 
Wie schön ist dein Gang in den Schuhen, du Fürstentochter! 
Deine Lenden stehen gleich aneinander wie zwei Spangen, 
die des Meisters Hand gemacht hat. 
Dein Schoß ist wie ein runder Becher, dem nimmer Getränk mangelt. 
Dein Leib ist wie ein Weizenhaufen, umsteckt mit Rosen. 
Deine zwei Brüste sind wie zwei Rehzwillinge. 
Dein Hals ist wie ein elfenbeinerner Turm. 
Deine Augen sind wie die Teiche zu Hesbon am Tor Bathrabbims. 
Deine Nase ist wie der Turm auf dem Libanon, der gen Damaskus sieht. 
Dein Haupt steht auf dir wie der Karmel. 
Das Haar auf deinem Haupt ist wie der Purpur des Königs, in Falten gebunden. 
Wie schön und wie lieblich bist du, du Liebe voller Wonne! 
Dein Wuchs ist hoch wie ein Palmbaum und deine Brüste gleich den Weintrauben. 
Ich sprach: Ich muß auf dem Palmbaum steigen und seine Zweige ergreifen. 
Laß deine Brüste sein wie Trauben am Weinstock und deiner Nase Duft wie Äpfel 
und deinen Gaumen wie guter Wein, 
der meinem Freunde glatt eingeht und der Schläfer Lippen reden macht. 
Mein Freund ist mein, und nach mir steht sein Verlangen. 
Komm, mein Freund, laß uns aufs Feld hinausgehen und auf den Dörfern bleiben, 
daß wir früh aufstehen zu den Weinbergen, 
daß wir sehen, ob der Weinstock sprosse und seine Blüten aufgehen, 
ob die Granatbäume blühen; da will ich dir meine Liebe geben. 
Die Lilien geben den Geruch, und über unsrer Tür sind allerlei edle Früchte. 
Mein Freund, ich habe dir beide, heurige und vorjährige, behalten.

Die Treue der für immer Vereinten 


O, daß du mir gleich einem Bruder wärest, der meiner Mutter Brüste gesogen! 
Fände ich dich draußen, so wollte ich dich küssen, und niemand dürfte mich höhnen!  
Ich wollte dich führen und in meiner Mutter Haus bringen, da du mich lehren solltest; 
da wollte ich dich tränken mit gewürztem Wein und mit dem Most meiner Granatäpfel. 
Seine Linke liegt unter meinem Haupt, und seine Rechte herzt mich. 
Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems, daß ihr meine Liebe nicht aufweckt 
noch regt, bis es ihr selbst gefällt. 
Wer ist die, die heraufsteigt von der Wüste und lehnt sich auf ihren Freund? 
Unter dem Apfelbaum weckte ich dich; da ist dein genesen deine Mutter, 
da ist dein genesen, die dich geboren hat. 
Setze mich wie ein Siegel auf dein Herz und wie ein Siegel auf deinen Arm. 
Denn Liebe ist stark wie der Tod, und ihr Eifer ist fest wie die Hölle. 
Ihre Glut ist feurig und eine Flamme des HERRN, 
daß auch viele Wasser nicht mögen die Liebe auslöschen noch die Ströme sie ertränken. 
Wenn einer alles Gut in seinem Hause um die Liebe geben wollte, so gölte es alles nichts. 
Unsere Schwester ist klein und hat keine Brüste. 
Was sollen wir unsrer Schwester tun, wenn man nun um sie werben wird? 
Ist sie eine Mauer, so wollen wir ein silbernes Bollwerk darauf bauen. 
Ist sie eine Tür, so wollen wir sie festigen mit Zedernbohlen. 
Ich bin eine Mauer und meine Brüste sind wie Türme. 
Da bin ich geworden vor seinen Augen, als die Frieden findet. 
Salomo hat einen Weinberg zu Baal-Hamon. 
Er gab den Weinberg den Hütern, daß ein jeglicher für seine Früchte brächte tausend Silberlinge. 
Mein eigener Weinberg ist vor mir. 
Dir, Salomo, gebühren tausend, 
aber zweihundert den Hütern seiner Früchte. 
Die du wohnst in den Gärten, laß mich deine Stimme hören; die Genossen merken darauf. 
Flieh, mein Freund, und sei gleich einem Reh oder jungen Hirsch auf den Würzbergen!

Hohelied Salomo, Holzskulptur von Walter Green

http://www.google.de/imgres?imgurl=http%3A%2F%2Fwww.dhushara.com%2Fbook%2Fsong%2Fsongf%2Fsm6.jpg&imgrefurl=http%3A%2F%2Fwww.dhushara.com%2Fbook%2Fsong%2Fsongf%2Fmeincrag.htm&h=421&w=324&tbnid=jJL3pc1Wr-cYhM%3A&zoom=1&docid=HjZxVoFK4o0NpM&hl=de&ei=hBzfVJ-xK8aAU7qagLgE&tbm=isch&iact=rc&uact=3&dur=3100&page=9&start=145&ndsp=17&ved=0CJABEK0DMC44ZA

Liste von Vertonungen
http://www.grabinski-online.de/div/hoheslied.html


Donnerstag, 12. Februar 2015

Wir spielen nicht, wir sind - Authentizität ist der Tod des Theaters


"Eine ernst gemeinte philosophische Frage: Wieso gilt es eigentlich neuerdings als rassistisch und anstößig, wenn im Theater Weiße mit geschminkten Gesichtern Schwarze spielen – aber wenn ein normal gewachsener Schauspieler mit aufgeschnalltem Buckel und groteskem Pappklumpfuß einen Behinderten imitiert, finden das alle okay? Wie dem auch sei:..."
Matthias Heine

Als kleines Kind, dessen Eltern Abends auf Theater-Arbeit waren, hatte ich, zur Überbrückung der Einsamkeit, einen imaginierten Zwillingsbruder mit dem ich mir die magiegefüllte Herrschaft über ein ebenfalls vorgestelltes Königreich teilte. Der ärmliche Berliner Fasching sah mich als pubertären Neanderthaler, als Fliegenpilz und als Prinzessin. Wenn ich mich in früher Jugend überfordert fühlte, verschwand ich in Ersatzfiguren, die der coolen Alleswisserin oder in die der jungen Frau, die nichts erschrecken konnte - auf Grund meiner familiären Einbindung dauerte es sehr lang, bis ich mir eingestand, dass dieses "als ob" Getue, diese Sehnsucht nach dem anders sein, als ich war, auch mein Beruf werden könnte. Meine Freiheit. 
Ich, Johanna, mochte nicht vor anderen weinen, aber Johanna, die Spielerin schluchzte bei jeder sich bietenden Gelegenheit, sehr zur Irritation mancher Regisseure.
Ich durfte böse sein, blöd, dem Tod geweiht, verrückt, entrückt, verzückt. Freiheit.

Aber jetzt wird ein soziales, ökonomisches und gesellschaftliches Problem, nämlich dass Mitmenschen anderer Hautfarbe, sexueller Orientierung, genetischer Bevozugtheit auf dem Arbeitsmarkt nicht fair behandelt werden, dass heißt, sie werden nicht ihrer Begabung entsprechend engagiert und eingesetzt, zu einem ästhetischen Dogma umgeformt: Sei wer du bist, nicht wer du sein könntest. 
Sei authentisch. Das harsche Todesurteil für Spiel und Clownerie und das Ausprobieren von Kleidern, die Dir nicht passen. 

Fremdheit macht scharfsichtig. 

Der gefürchtete V-Effekt, Verfremdung genannt: ich bin, was ich nicht sein kann, ich sehe was ich ich kenne, aber anders, als ich es gewohnt bin, uraltes Mittel des Theaters wird tagespolitisch fragwürdig, oder sogar anrüchig. 

Wer ist Hamlet? Ein Däne mit freudscher Vaterproblematik? Wer Cleopatra? Eine junge Ägypterin? Wer ist Richard der Dritte oder Othello? Wer ist schwarz, behindert oder sonstwie anders? Ich bin es. Ich darf all dies sein, weil ich spiele. Und vergesse doch nicht, die Ungerechigkeit, die Intoleranz die unsere Gesellschaft prägt.

Nicht wer ich bin ist entscheidend, sondern wer man mir erlaubt zu sein.


Mittwoch, 11. Februar 2015

Thomas Brasch - Halts Maul, Kassandra




Nur 13 Jahre trennen uns. 1945 & 1958. Der große verfluchte Krieg endete und er wurde geboren. Er starb schon 2001, wie unfaßbar schade.

Ich, Mitglied einer sogenannten "Familie", bin in DDR-Zusammenhängen mit den Mitgliedern anderer "Familien" zusammengetroffen, den Goldsteins und den Braschs, hauptsächlich mit den Söhnen. 
Ihre Väter - der eine Emigrant und der andere Ausschwitz & Buchenwald-Überlebender, wurden in Folge rechtens Vertreter der DDR-Macht. Und die Söhne wuchsen auf unter der harten Knute der immer stärker verunstalteten Utopie ihrer Väter. 
Der eine Vater erzählte, wie er, aus Buchenwald befreit, auf dem von der Bürgern der Stadt Weimar gesäumten Strasse in die Freiheit, den Satz "Die wollten mich alle töten" nicht aus dem Hirn bekam. Der andere bestrafte, so scheint es, seine Söhne, für die eigene unverschuldete Nichtteilnahme am Widerstandskampf.
Schreckliche Endrechnung: Vor den Vätern starben die Söhne. 
Klaus, Peter, Kurt, Thomas, die ich kannte und auf unterschiedlichste Weise liebte, starben früh. Früher als nötig.
Klaus, der Clown und Zartbeseelte, Peter, der Dichter ohne Schutz, Kurt der wunderbare Liebhaber und Thomas der Zornige. 

http://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Goldstein_%28Journalist%29

http://de.wikipedia.org/wiki/Horst_Brasch

WIE VIELE SIND WIR EIGENTLICH NOCH.
Der dort an der Kreuzung stand,
war das nicht von uns einer.
Jetzt trägt er eine Brille ohne Rand.
Wir hätten ihn fast nicht erkannt.
Wie viele sind wir eigentlich noch.
War das nicht der mit der Jimi-Hendrix-Platte.
Jetzt soll er Ingenieur sein.
Jetzt trägt er einen Anzug und Krawatte.
Wir sind die Aufgeregten. Er ist der Satte.
Wer sind wir eigentlich noch.
Wollen wir gehen. Was wollen wir finden.
Welchen Namen hat dieses Loch,
In dem wir, einer nach dem andern, verschwinden.


UND DER SÄNGER DYLAN IN DER DEUTSCHLANDHALLE
Ausgepfiffen angeschrien mit Wasserbeuteln beworfen
von seinen Bewunderern, als er die Hymnen
ihrer Studentenzeit sang im Walzertakt und tanzen ließ
die schwarzen Puppen, sah staunend in die Gesichter
der Architekten mit Haarausfall und 5000 Mark im Monat,
die ihm jetzt zuschrien die Höhe der Gage und
sein ausbleibendes Engagement gegen das Elend der Welt. So sah
ich die brüllende Meute. Die Arme ausgestreckt im Dunkeln neben
ihren dürren Studentinnen mit dem Elend aller Trödelmärkte
der Welt in den Augen, betrogen um ihren Krieg,
zurückgestoßen in den Zuschauerraum
der Halle, die den Namen ihres Landes trägt, endlich
verwandt ihren blökenden Vätern, aber anders als die
betrogen um den, den sie brauchen: den führenden Hammel.
Die Wetter schlagen um:
sie werden kälter.
Wer vorgestern noch Aufstand rief,
ist heute zwei Tage älter.
 


FRIEDE DEN WÄCHTERN
An den Wänden die Drähte,
auf dem gebohnerten Fußboden Teppiche gegen
den harten Schritt der Stiefel
in deinem Rücken. Tür an Tür die Einzelzellen
der neuen Gesellschaft. Wessen Straße ist die Straße.

Die Stille ist die Schwester des Wahnsinns.
Zwischen Hocker und Tür fünf Schritte und
der Herzschlag zwischen den Schläfen.
Die Posen:
Widerstand/Härtetest/Selbstmitleid/Jammer/Gelächter
sind verbraucht: Leitartikel im eigenen Zentralorgan.

Schreie im Flur nach zehn Wochen oder zwölf: Ihr
Verbrecher. Das hastige Tappen der Füße über
den Teppich. Dein Ohr an der Tür.
No man is an island. Friede den Wächtern.
Der Schädel ist ein keimfreies Schlachthaus.

 
KRANICH
Du hast den Kranich gesehn
hoch oben
mit weiten Schwingen,
frei,
unendlich frei.
Doch tröste dich:
auch er muß sterben,
vielleicht bald.
 
Alle diese Gedichte sind von Thomas Brasch

Thomas Brasch nimmt einen Preis von Franz Josef Strauß entgegen.
https://www.youtube.com/watch?v=bYX-tY_pnu0 

 
Die Generation der heute Dreißigjährigen in der DDR hat den Sozialismus nicht als Hoffnung auf das Andere erfahren, sondern als deformierte Realität. Nicht das Drama des Zweiten Weltkriegs, sondern die Farce der Stellvertreterkriege (gegen Jazz und Lyrik, Haare und Bärte, Jeans und Beat, Ringelsocken und Guevara-Poster, Brecht und Dialektik). […] Ich entschuldige mich nicht dafür, daß ich den 32. Versuch von Thomas Brasch, Auf einem untergehenden Schiff aus der eigenen Haut zu kommen, nicht einfach als Literatur lesen und rezensieren konnte. Er geht mich zu viel an, und ich hoffe, daß ihm auch der 33. Versuch mißlingt. Er ist immer noch in seiner Haut der Beste, und Schiffsuntergänge sind kein Alibi für Selbstmord. Gerade die Spuren und Narben seiner DDR-Biographie zeichnen seine Texte aus der Masse der westdeutschen Literaturproduktion, die mich im ganzen herzlich langweilt. Ich weiß nicht, was sie dort für Folgen haben werden, in der DDR wird nach dem Erscheinen seiner Bücher Vor den Vätern sterben die Söhne und Kargo niemand mehr so schreiben können, als ob er sie nicht geschrieben hätte. Wie es ist, bleibt es nicht. Heiner Müller in Der Spiegel, 12.9.1977

Kurt und Thomas wurden von ihren Vätern in diese Institution geschickt:
http://www.ddr-wissen.de/wiki/ddr.pl?Kadettenanstalt_Naumburg