Montag, 18. April 2016

Schlechte Filme zum Weinen

Wann weine ich?
Sehr selten.
Wiki definiert Weinen als: unspezifischen emotionalen Ausdruck, welcher der Mimik zugeordnet wird und oft, aber nicht immer, mit Tränenfluss einhergeht. Weinen ist nicht an eine bestimmte Emotion gebunden, kommt aber beispielsweise häufig bei Schmerz, Trauer, Angst, Ärger oder Freude vor. Ob bei Tieren – wie beispielsweise bei unter Stress stehenden Elefanten, die Tränen produzieren – von Weinen wie beim Menschen gesprochen werden kann, ist in der Wissenschaft umstritten.
Warum weine ich?
Ich weine:
... wenn ich Zwiebeln schäle. Hahaha. 
... wenn ich zornig bin und nicht weiß wohin mit meinem Zorn. Eine Schwäche, denn es gibt dem Verursacher meines Zorns, die Möglichkeit meine Erregung zu weiblicher Hysterie abzuwerten. Grässlich.
... wenn ich beim Zahnarzt das Geräusch des Bohrers höre. Die Erwartung des Schmerzes versetzt mich in Panik. Nie weiß ich, wann genau der Schmerz kommen wird!
... wenn ich hilflos Schrecklichem begegne. Die Hilflosigkeit ist genauso grauenhaft wie das Unglück. Nichts tun können. Nichts. Weinen ohne Atmen. Es hilft zu nichts, macht nichts besser oder leichter, es ist außerhalb meiner Macht. Es weint aus mir. Schluchzt. Hechelt. Krampft. Arhythmisch und unschön.

Und dann gibt es das Weinen, das Überdruck abbaut, entspannt, peinlich ist, weil es passiert, während ich mir Tierfilme, Kitsch, Lieder mit spezifischen Tonfolgen einhelfe.
 
So grundsätzlich verschiedene Anlässe für ein und denselben "emotionalen Ausdruck".

Ich kann übrigens auch, rein technisch, ohne jedwede emotionale Investition, weinen. Beim Einstieg in meinen Beruf, war ich der festen Meinung, dass ich in der Lage sein müßte immer und sofort Tränen produzieren. Da habe ich weinen eben geübt. Im Bus. Es ist leicht. Wirklich. Ein imaginiertes Kitzeln, genau da, wo das Gähnen herkommt, und schon läuft es aus den Augen. Bedeutet nichts, fühlt sich nur wie Feuchtigkeit an. Im Film ist es nicht hilfreich, weil echte Tränen nicht so gut funkeln, wie die künstlichen, da sie nur aus Salzwasser bestehen. Und auf der Bühne sieht man sie kaum. Nur mein Kind war beeindruckt, als ich einem ihrer sehr gut eingestzten Weinanfälle meine gänzlich künstlichen Tränen entgegensetzte. Das Erwachsene auch können, was Kinder als Druckmittel einsetzen, war ihr neu. Sie hat gelacht! Großartig.

Aber heute hat mich dieses scheinbar anlaßlose, beschämende Weinen erwischt, durch nichts ausgelöst als einen Film, dessen einzige Absicht es war, mich zum Weinen zu bringen. Oder stimmt das gar nicht? Habe ich nicht diesen belanglosen Film benutzt, um viele andere traurige, mißachtete Momente nachzuholen?
 
Unsere Gesellschaft erträgt emotionale Ausbrüche nur ungern. Sei "cool", "reiß dich zusammen", "belästige mich nicht mit Deiner Not". "Wie geht es Dir?" "Gut."
Wir stecken Traurigkeit weg. Verstecken sie. Wir fühlen uns verpflichtet, pflegeleicht und unanstrengend zu sein. Nicht schreien, nicht rumheulen, nicht zittern. Warum eigentlich? Ist es normal, dass wir uns durch die Gefühle anderer Menschen belästigt fühlen? Sind wir wirklich so uninteressiert an den Gefühlen unserer Mitmenschen? So gänzlich verschlossen? 
Das Leben ist ungerecht. Die simple, und dennoch unerträglich wahre Aussage des mich zum Weinen bringenden heutigen Filmes. Ja. So ist es. Und wenn wir uns nicht genug füreinander interessieren, dass wir den existentiellen Schrecken des Schicksals nicht annehmen, nicht ertragen können, dann sollten wir uns fragen, warum.
 

1 Kommentar:

  1. Und es gibt eine Art des Weinens, die vielleicht kein Weinen ist, schon gar nicht Heulen. Es sind Tränen da, aber oft nicht so viele, dass sie fließen müssten. Es steht Wasser in den Augen, weil ein Gefühl berührt wird. Rührung ist wohl das Wort dafür, das altmodische, das wir kaum noch wagen, ohne ironischen Unterton auszusprechen.

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