Montag, 29. August 2016

Wenn Gott lebendig macht, tut er das, indem er tötet


Wenn ich also auf irgendeine Weise verstehen könnte, wie dieser Gott barmherzig und gerecht sein kann, der so viel Zorn und Ungerechtigkeit an den Tag legt, wäre der Glaube nicht nötig.


Herr Luther schreibt einen Text in Reaktion auf Worte des Erasmus von Rotterdam und ich lese und denke eine bessere Begründung für meinen Nichtglauben ist fast nicht möglich. Ich kann es auch so formulieren, wenn Luther recht hat, will ich keine Seligkeit. Wenn Gott Demütigung, Selbstaufgabe und unbedingten Glauben wider alle Verstehbarkeit verlangt, will ich ihm ungehorsam sein.
Oder wie es Stephen Fry auf die Frage was er, tot und im Himmel angekommen zu Gott sagen würde, formulierte: "Knochenkrebs bei Kindern, was soll das?"
Ich bemerke mein Atheismus wird mit den Jahren wütender. Aber viele, die ich mag, glauben auf verschiedenste Weise und, ich werde den Teufel tun, ihnen das übel zu nehmen.

Übrigens mochten beide Juden nicht, eine chistliche Krankheit der häufigen Art, aber der eine gab der Vernunft Raum und Grund und gestand damit dem Menschen einen freien Willen zu. Aber der andere, der unsere, der in diesem Jahr so sehr gefeierte ...

Martin Luther - VOM UNFREIEN WILLEN 

oder 

De servo arbitrio - Über den geknechteten Willen 1525
 
EIN KURZER AUSZUG:
 
Wenn wir glauben, es sei wahr, daß Gott alles vorherweiß und vorherordnet, dann kann er in seinem Vorherwissen und in seiner Vorherbestimmung weder getäuscht noch gehindert werden, dann kann auch nichts geschehen, wenn er es nicht selbst will. Das ist die Vernunft selbst gezwungen zuzugeben, die zugleich selbst bezeugt, daß es einen freien Willen weder im Menschen noch im Engel, noch in sonst einer Kreatur geben kann.
...  
 
Erstens: Gott verheißt den Demütigen, das heißt denen, die an sich verzweifelt sind und sich aufgegeben haben, mit Bestimmtheit seine Gnade. Ganz und gar aber kann sich kein Mensch eher demütigen, bis daß er weiß, daß seine Seligkeit vollständig außerhalb seiner Kräfte, Absichten, Bemühungen, seines Willens und seiner Werke gänzlich von dem Belieben, Beschluß, Willen und der Tat eines anderen, nämlich Gottes allein, abhänge. Wenn er nämlich im Vertrauen auf sich selbst bleibt — und das tut er so lange wie er sich einbildet, er vermöge auch noch so wenig für seine Seligkeit zu tun — und nicht von Grund auf an sich verzweifelt, so demütigt er sich deswegen nicht vor Gott, sondern vermutet oder hofft oder wünscht wenigstens Gelegenheit, Zeit oder irgendein gutes Werk, dadurch er dennoch zur Seligkeit gelange. Wer aber wirklich nicht daran zweifelt, daß alles vom Willen Gottes abhänge, der verzweifelt völlig an sich selbst, wählt nichts eigenes, sondern erwartet den alles wirkenden Gott. Der ist am nächsten der Gnade und der Seligkeit. Deshalb werden um der Auserwählten willen diese Lehren gepredigt, damit sie — auf diese Weise gedemütigt und zunichte geworden — selig werden. Die übrigen widerstehen dieser Demütigung, ja sie verurteilen sogar diese Verkündigung der Verzweiflung an sich selbst, sie wollen, daß ihnen wenigstens ein ganz klein wenig übrig gelassen werde, das sie selbst vollbringen können. Das ist, sage ich, der eine Grund: daß die Frommen die Verheißung der Gnade in Demut erkennen, anrufen und empfangen.

Der andere Grund ist, daß der Glaube es mit den unsichtbaren Dingen zu tun hat (Hebr. 11, l). Damit also dem Glauben Raum gegeben werde, ist es notwendig, daß alles was geglaubt wird, sich unsichtbar mache. Er kann sich aber nicht gründlicher unsichtbar machen als unter dem Gegensatz zur Empfindung und Erfahrung, wie er hier vorliegt. So zum Beispiel: wenn Gott lebendig macht, tut er das, indem er tötet, wenn er gerecht macht, tut er das, indem er schuldig macht, wenn er in den Himmel bringt, tut er das, indem er zur Hölle führt, so wie die Schrift sagt (l. Sam. 2, 6): "Der Herr tötet und macht lebendig, führt in die Hölle und wieder heraus". ... So verbirgt er seine ewige Güte und Barmherzigkeit unter ewigem Zorn, Gerechtigkeit unter Ungerechtigkeit. Hier liegt die höchste Stufe des Glaubens vor: zu glauben, daß er gnädig ist, der so wenige rettet und so viele verdammt, zu glauben, daß er gerecht ist, der durch seinen eigenen Willen uns notwendig verdammenswert macht, so daß es scheint, wie Erasmus sagt, daß er an den Qualen der Unglücklichen Gefallen habe und mehr Haß als Liebe verdiene. Wenn ich also auf irgendeine Weise verstehen könnte, wie dieser Gott barmherzig und gerecht sein kann, der so viel Zorn und Ungerechtigkeit an den Tag legt, wäre der Glaube nicht nötig. Jetzt, da es nicht begriffen werden kann, wird Raum, den Glauben zu entfalten, indem solches gepredigt und allgemein bekannt gemacht wird, ganz wie, wenn Gott tötet, der Glaube an das Leben, im Tode geübt wird. 
 

1 Kommentar:

  1. Gott ist nicht beweisbar. Gott ist nicht widerlegbar. Gott ist darauf angewiesen, dass ein Mensch sich entscheidet an ihn zu glauben. Da das eine mächtige Entscheidung ist, könnte man sagen, dass Glauben nichts so sehr braucht wie den freien Willen zu entscheiden.
    Denn wenn ich aus weniger heraus glaube, aus Angst, aus Mitläufertum oder weil ich mir einen Vorteil davon erhoffe... was ist meine Entscheidung dann wert?
    Glauben ist eine Überzeugung, die sich auf nichts bewiesenes gründet. Aus meiner Sicht braucht es dafür einen mündigen hellwachen Menschen, der aus freien Stücken Glauben leben will. Sonst ist er nur ein Anhänger oder... schlimmer... ein Fanatiker, der ohne Freiheit, ohne zu hinterfragen etwas gehorcht.
    Nur Despoten fordern blinden Gehorsam. Wie kann Gott ein Despot sein? Und falls er es ist, wie kann man ihm dann gehorchen?
    Entweder muss ich also nicht blind gehorchen oder ich darf es sogar nicht. So verstanden sind Glaube und freier Wille notwendige Verbündete.
    Sie sind es allein dann nicht, wenn Menschen den Glauben zur persönlichen Machtgewinnung über andere mißbrauchen. Das hat aber mit allem, was ein Gott sein könnte, wenig zu tun.
    Ich habe mich auch immer gefragt, was Menschen einfällt einen göttlichen Willen auszulegen. Ist das nicht Anmaßung zu interpretieren was ein Gott wollen kann?
    Einstein hatte große Probleme damit die ungeklärte Unbestimmtheit der Quantenmechanik in sein Physikverständnis aufzunehmen. Er sagte "Gott würfelt nicht.".
    Nils Bohr antwortete ihm: „Aber es kann doch nicht unsere Aufgabe sein, Gott vorzuschreiben, wie Er die Welt regieren soll."
    Inzwischen wissen wir, dass die Quantenmechanik zutrifft... aber wir wissen erst in Anfängen wieso.
    Wenn wir also nicht einmal die Bausteine Gottes verstehen, wie dann ihn und das, was er will?
    Aber wie könnte man ihm, der dann ja Schöpfer von allem existierenden wäre, besser Respekt und Ehrfurcht entgegen bringen, als wenn man versucht sein Werk besser und besser zu verstehen. Dann ist Forschung, Neugier, Fantasie und Wissenschaft kein Widerspruch zum Glauben, sondern nicht nur aus sich selbst heraus notwendig... nein, auch für jeden Gläubigen.
    Nebenbei... dann wäre auch Achtsamkeit mit seiner Schöpfung für jeden Gläubigen oberstes Gebot. Nimmt man allein das als Merkmal dafür ob es auf unserem Planeten viele Gläubige gibt... dann hätte eine göttliche Kraft herzlich wenig Freude an den Entwicklungen auf der Erde.
    Irgendwas jedenfalls läuft da mit dem Glauben und dem Gottesverständnis furchtbar schief.

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